Heft 
(1891) 66
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Deutsche Rundschau.

als Erfolg beabsichtigen, Verhalten sich zu den entscheidenden folgenden, die ihn dann wirklich herbeiführen, wie mitgewollte, ähnlich jener in der Haut der Hand, Welche aus die des kleinen Fingers folgt, nur daß sie ihnen sogar voraneilen. Man kann darauf sicher rechnen, wenn man weiß, daß eine Stimmbildung bevorsteht. Der Arzt, der dem Patienten in den Mund sieht, ob er geschwollene Mandeln hat, will, daß er den Gaumen hebt, weil er dann mehr von ihm und den Mandeln über die Zunge hinweg sehen kann. Er ersucht daher den Patienten, einen Ton von sich zu geben, weil er zu diesem Zwecke den Gaumen heben muß. Denn das ist die Bewegung, welche den Luftweg oben durch die Nase absperrt. Wenn der Ton erschallt, hat der Arzt seinen Zweck schon erreicht; denn der Gaumen hat sich zuvor gehoben, ehe der Ton gebildet wurde. Wenn wir dasselbe Experiment mit uns selbst machen, indem wir uns vor dem Spiegel selbst in den Mund sehen, einen Ton Hervorbringen und nun mit dem Auge erkennen, wie sich, noch bevor der Ton gebildet wird, der Gaumen schon gehoben hat, so können wir uns auch hier wie bei jener kleinen Bewegung in der Hand, klar machen, daß wir im Stande sind, diese gesehene Bewegung des Gaumens auch für sich allein durch unseren Willen eintreten zu lassen, ohne daß wir nachher einen Ton von uns geben.

Sie wird also nun gewollt im Sinne eines anderen Erfolges, den wir von ihr kennen gelernt haben. Aehnlich können nun noch viel mehr zur Stimm­bildung gehörige Bewegungen gelernt werden. Darauf beruht die Möglichkeit des Sprachunterrichts der Taubstummen. Der Taube bleibt stumm, weil er die Bewegungen nicht wollen kann, deren Erfolg ihm unbekannt ist. Weil er keine Töne hört, wird er sich auch nicht bewußt, daß ihm sein Körper Organe dar­bietet, um solche selbst hervorzubringen. Man lehrt ihn aber durch Fühlen mit den Fingern an den Hals von Menschen, welche sprechen, eine Beobachtung machen, die den meisten Menschen unbekannt ist, daß man nämlich dabei auch bestimmte Vibrationen fühlen kann. Nun lernt er, wenn er seinen eigenen Hals befühlt und vorläufig lallende Versuche macht zu sprechen, dabei ähnliche Vi­brationen zu bemerken, wie an andern, wenn sie sprechen. Dabei wird er sich be­wußt, daß er dies willkürlich herbeiführen kann, und bringt so nach dem Gefühl mit der Zeit einigermaßen dieselben Bewegungen hervor, die andere in der Idee Wollen, daß es so klingen soll, wie sie vorauswissen, daß es klingen kann. Und da die Einrichtung an seinem Organe dieselbe ist, wie Lei Andern, so kommt am Ende auch der doppelte Erfolg heraus, der hörbare und der fühlbare. Das Resultat ist, daß der Taube sprechen lernt, obgleich er selbst nichts davon hört, sondern nur fühlt; denn auch danach kann er einigermaßen verschiedene Leistungen des Stimmorganes unterscheiden und mit denselben auch den Sinn der Worte verbinden.

Soweit paßt demnach so rein wie möglich auf den gewöhnlichen Verlauf des Athmens der Begriff der Restexbewegung; dagegen auf Alles, was im Zusammenhänge der Stimmbildung zu geschehen hat und geschieht, der der will­kürlichen. Nur daß sie sich vielfach derselben Muskeln und Wohl auch Nerven zur Ausführung der einzelnen, in beiden wiederkehrenden Arten zu bedienen haben. Sie können dies auch im normalen Verlaufe der Dinge sehr gut, ohne