Heft 
(1891) 66
Seite
428
Einzelbild herunterladen

428

Deutsche Rundschau.

empfangenen Wunden, am 26. November 1525, in Mailand starb. Sicher ist, daß er dem Kaiser verdächtig war, seit Morone's Jntriguen ihn zur französischen Partei herüberzuziehen suchten und man ihm Neapels Königskrone angetragen hatte. Das Urtheil der Geschichte über Pescara schwankt I.Ich erinnere mich," sagt Guicciardini,wie mir Morone in den Tagen Leo's X. gesagt hat, in ganz Italien gebe es keinen Menschen von größerer Bosheit und geringerer Treue als den Marchese von Pescara." Diese Aeußerung ist sicher zu hart und ein Ausfluß der Parteileidenschaft: auch scheint sie durch Morone's Vertrauen auf die Ehren­haftigkeit des Mannes selbst widerlegt zu werden. Dagegen muß man Gregorovius Recht geben, wenn er meint, das unredliche Verfahren des Marchese gegenüber Morone bleibe doch ein Flecken in seinem Charakter^). In diesen Jahren lebte Vittoria meist in Jschia, Neapel, Marino, vorübergehend in Rom, wo sie mit Bembo, Sadoleto, Ariosto, Molza in Beziehungen trat, namentlich aber mit Giberti, dem späteren Bischof von Verona und langjährigen Vertrauten Clemens' VII., dessen Wahl sie mit einem durch die Ereignisse in keiner Weise gerechtfertigten Enthusiasmus begrüßte, mit dem sie aber in gutem Einvernehmen blieb, auch während ihre Verwandten, die Colonnesen, den Vatican überfielen und an jenem Kriege gegen den Papst theilnahmen, der zu der schrecklichen Plün­derung Roms im Jahre 1527 führte. Vittoria, welche sich nach dem Tode Pescara's in das Kloster S. Silvestro in Capite zu Rom zeitweilig zurück­gezogen, sah diesen Vorgängen von Marino, dann von Neapel und Jschia aus zu. Hier verkehrte sie 1533 u. A. mit Bernardo Tasso, dessen berühmterer Sohn Torquato elf Jahre später in dem benachbarten Sorrento das Licht der Welt erblickte. Baldassare Castiglione war ihr schon früher näher getreten und hatte ihr zuerst das Manuscript seines gefeiertenOortegiauo" vorgelegt, in Welchem die Frau von Stande in einer Weise gezeichnet wird, die zwar zunächst an Filiberta, Giuliano de Medici's Gemahlin, und der Königin Luisa von Frankreich Schwester das Muster nimmt, sicher aber auch den Aufblick zu der Marchesa von Pescara nicht meidet. Vittoria hat seit dem Verlust ihres Gatten, nie etwas Anderes als stille Zurückgezogenheit gesuchtM mit Vorliebe in befreun­deten Klöstern, in Orvieto in S. Paolo (1540), in Viterbo in Sta. Caterina (1541), zuletzt in Rom bei den Schwestern von Sant' Anna de' Funari, mit wenigen Dienerinnen und höchst einfach gewohnt, ganz mit den Hebungen christ­licher Frömmigkeit beschäftigt und der Strenge eines Bußlebens hingegeben, für welches in der Unschuld ihrer Jugend kein Anlaß vorlag, zu dem sie der Anblick der Leiden ihrer Zeit und der Verirrungen der eigenen Blutsverwandten hin-

0 Wir erinnern hier an die dichterische Auffassung des Charakters in der meisterhaften Novelle:Die Versuchung des Pescara" von Conrad Ferdinand Meyer, welche zuerst in der Deutschen Rundschau" (1887, Bd. VIII, S. 1 ff.) erschien und den Lesern dieser Zeitschrift un­vergessen sein wird.

2) Gregorovius, Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter, Bd. VIII, S. 4-51.

ft Nur einmal trat Vittoria aus dieser Zurückgezogenheit heraus, als sie sich wahrscheinlich im Interesse des von ihr beschützten Capucinerordens, im April 1587, nach Ferrara begab, wo die glänzendste Ausnahme am Hofe Herzog Ercole's II. von Este und Renoe's von Frankreich fand und am 19. Juni die Prinzessin Eleonore aus der Taufe hob, welche später die Freundin Torquato Tasso's wurde.