Heft 
(1891) 66
Seite
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Deutsche Rundschau.

15. Jahrhunderts einerseits, dem paganisirenden Zug des herrschenden Huma­nismus anderseits war Savonarola entgegengetreten. Sein Werk war gescheitert, weil es auf einer unmöglichen Grundlage, auf der der vorübergehenden Begeisterung der Massen, aufgebaut war und sein Urheber selbst dem Gegner die Waffen in die Hand drückte. Niemand hat bis jetzt das Räthsel völlig zu erklären gewußt, welches darin liegt, daß trotz der Offenkundigkeit der Ver­hältnisse der Gerechte von dem Verworfenen getödtet werden konnte; mit anderen Worten, daß die öffentliche Meinung Italiens es Alexander VI. gestattete, Savonarola zu verderben. Ich glaube, die Erklärung kann nur darin gesucht werden, daß Fra Girolamo den ungeheuren Fehler beging, die Intervention des Auslandes herbeizurufen, während Alexander VI. die unbestreitbar glückliche Idee ergriff, sich an die Spitze der nationalen Bewegung und der Opposition gegen jede Einmischung des Fremden zu stellen. Da liegt die Erklärung des Geheim­nisses, weshalb Italien die Borgia ertrug: ihre Politik war ein genialer Schachzug, ein Vorwegnehmen von Tendenzen, die alle die großen Renaissancepäpste zum Theile wenigstens sesthielten und welche den Inhalt der modernsten Entwicklung Italiens bilden. Es liegen Anzeichen vor, daß Vittoria diesen auf Unabhängigkeit der Halbinsel gehenden Richtungen sich nicht verschloß; aber sie hat die Erreichung idealer Wünsche den bestehenden rechtlichen Verpflichtungen stets untergeordnet. In diesem Sinne berieth sie ihren Gatten, als Morone mit seiner bestechenden Versuchung an ihn herantrat.Die beste Tochter Italiens," sagt Gino Capponi,hielt damals ihren Gemahl ab, das italienische Banner aufzupflanzen. Sie nannte das Verrath, und es war Verrath; denn Pescara hatte sich Karl V. verkauft."

Die Frage der Zukunft Italiens trat aber sicher in Vittoria Colonna's Geist zurück hinter derjenigen nach der Zukunft der Kirche. Das Pontificat Clemens' VII., ganz von den Interessen des mediceischen Hauses ausgefüllt, unglücklich in jeder Hinsicht, hatte diesem Gegenstand nur geringe Aufmerksamkeit zuzuwenden vermocht. Mit dem Augenblicke, wo Paul III. den päpstlichen Stuhl bestieg, stellte er sich in den Vordergrund der Verhandlung. Aleffandro Farnese's Jugend hatte den Verirrungen der Zeit ihren Tribut gezahlt und auch sein Pontificat ist von dem ungebührlichen Nepotismus zu Gunsten seines natür­lichen Sohnes, von den Greueln des gegen Ascanio Colonna, Vittoria's Bruder, geführtenSalzkrieges", nicht frei zu sprechen. Aber ein hoher Sinn wohnte diesem Papste sicher in den ersten Jahren seiner Regierung inne. Damals war es, wo er das Cardinalscollegium zu einer vorher und seither nie mehr gesehenen Vereinigung der geistvollsten und edelsten Männer der Zeit machte und wo er die besten derselben zu jenem Gutachten über die Schäden der Kirche aufforderte, das, im Jahre 1537 erstattet, als ein ewig denkwürdiges Zeugniß für die Einsicht und Ehrlichkeit seiner Urheber dasteht. Die Männer, welche an diesem Consultum direct oder indirect betheiligt waren, sind sozusagen ohne Ausnahme die nahen Freunde und Vertrauten Vittoria's: Gasparo Contarini, der 1541 als Bot­schafter nach Deutschland ging und der auf dem Regensburger Reichstage die weitestgehenden Anstrengungen machte, um den Frieden mit den deutschen Protestanten zu suchen; Jacopo Sadoleto, der berühmte Humanist; Giovanni