Vittoria Colonna.
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Morone, der Sohn jenes hochbegabten, unseligen Staatsmannes, der Pescara die neapolitanische Krone angeboten: mit zwanzig Jahren Bischof von Modena, mit dreißig Cardinal, später bekanntlich unter Paul IV. verdächtigt und von der Inquisition in den Kerker geworfen, endlich die rechte Hand Paul's IV. bei Beendigung des Concils von Trient, dessen letzter Vorsitzender er war; Marcello Cervini, die idealste und geliebteste Persönlichkeit der Zeit, auf welche die katholische Welt die schönsten Hoffnungen setzte, dem als Papst (Marcellus II.) nur wenige Tage zu regieren gegönnt war, und dessen liebenswürdiger Name noch fortlebt in Palestrina's unsterblicher Schöpfung; Federigo Fregoso, Sohn eines genuesischen Dogen und GentilVs von Montefeltro, der Schwester von Vittoria's Mutter, der als Erzbischof von Salerno eine ausgezeichnete Thätigkeit entfaltete, als Cardinal Verdächtigungen seiner Rechtgläubigkeit so wenig wie Contarini, Morone, Pole entging. Da ist weiter zu nennen Giovanni Guidiccioni, der in diplomatischen Geschäften ebenso Geschick wie Ehrlichkeit bewies und Sonette mit unserer Dichterin wechselte; Claudio Tolomei, aus dem großen Sieneser Geschlecht; vor Allen aber Reginald Pole, der Vetter König Heinrich's VIII. von England, seit seiner Erhebung zum Mitglied des Sacro Collegio 1536 gewöhnlich der „Cardinal von England" genannt. Ein Mann, der, wie Lodovico Beccadelli sich ausdrückte, Weltkenntniß mit vielseitiger Belesenheit verband, und durch das einnehmendste Wesen mit angenehmer Conversation Alles anzog. Man hat gesagt, nicht Cardinalis Anglicus, sondern Angelicus sollte er genannt werden. Für Vittoria ist er das gewesen. Zehn Jahre älter als er, hat sie ihm eine Art mütterliche Liebe gewidmet, während sie in geistlichen Dingen ihn wie ihren Vater und unbedingten Führer betrachtete. Diese glanzvolle Persönlichkeit hat bekanntlich eine schwere, durchaus nicht beglückte Existenz geführt. Keiner der Cardinäle kam, wie es scheint, den deutschen Reformatoren in Dingen der Rechtfertigung weiter entgegen; die Legation in England, zur Seite seiner Base, der Königin Maria der Katholischen, brachte ihm eine wenig beneidenswerthe Aufgabe; die Wahl seines alten Gegners Caraffa zum Papste (23. Mai 1555) führte gegen ihn wie gegen Morone die Anklage auf Heterodoxie herbei; doch blieb er als Erzbischof von Canterbury ziemlich unbehelligt, während sein Freund in den Kerkern der Engelsburg schmachtete. Er starb einen Tag nach Maria, 1558. Noch andere Männer von Bedeutung kamen in jenen Tagen vielfach mit Vittoria zusammen: Lodovico Beccadelli, Marcantonio Flaminio, Carnesecchi, den die Inquisition 1566 processirte und hinrichtete, Sorango, der als Bischof von Bergamo gleichfalls in Untersuchung wegen häretischer Meinungen kam, Juan Valdez, der spanische Reformator, der, wie es scheint, um 1532 nach Neapel, aber auch nach Rom kam und namentlich Einfluß auf eine andere berühmte Frau der Zeit, eine Verwandte Vittoria's gewann, nämlich auf Giulia Gonzaga, Herzogin von Traetto, die Wittwe Vespasiano Colonna's, welche durch ihre Urgroßmutter Barbara, die Tochter Johanns des Alchimisten, mit dem hohenzollernschen Hause zusammenhing. Bekannt sind die Stanzen Francesco Maria Molza's, welche Sebastiano del Piombo's Bildniß dieser'Fürstin in schmeichelnden Gemeinplätzen verherrlichen. Die größte Bedeutung für unsere Dichterin hatten aber ihre Beziehungen