Heft 
(1891) 66
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Vittoria Colonna.

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behaupten, dies (nämlich seine Ansicht) sei eine lutherische Lehre, nicht wissen, was die lutherische Meinung ist, noch was die Kirchenlehrer, namentlich der heil. Augustin und Thomas über diesen Punkt gesagt haben. Wüßten sie, so würden sie Wohl bescheidener sein und nicht Aergerniß unter den Katholiken erregen" H.

Das ganze Geschlecht fürstlicher Geister, welche Vittoria Colonna gewisser­maßen als ihren gesellschaftlichen Mittelpunkt betrachteten, mußte ins Grab steigen, ohne die Erfüllung seiner auf die Reform der Kirche gehenden Absichten und Wünsche erlebt zu haben, ja es mußte die Verwirklichung seiner Hoffnungen in weite Ferne gerückt sehen, seit die Besten unter ihnen, niedriger Verleumdung preisgegeben, den Muth ihrer Ueberzeugung mit schweren Verfolgungen zu zahlen hatten. Das Vorgehen Caraffa's, der mit den Regungen der Häresie zugleich das geistige Leben in Rom und Mittelitalien niederschlug, hat Niemand unter ihnen mit einerReform der Kirche" verwechselt. Mit ihnen versank das geistige Element des Renaissancezeitalters, und der rasch wieder verflogene Aufschwung, welchen die Tridentiner Reform dem religiösen Leben zubrachte, konnte nur ober­flächliche Geister darüber täuschen, daß Völker wie Individuen, denen die geistige Bewegung verkümmert wird, ihren Ausweg nach der Richtung eines alle besseren Kräfte verzehrenden Sinnengenusses nehmen. Als die letzten Freunde der Marchesa di Pescara starben, stand der Barocco als Ausdruck dieser Empfindungsweise dicht vor der Thüre.

Die letzten Jahre Vittoria's waren auch durch andern Kummer schwer heim­gesucht. Der Kampf der Colonnesen gegen die Päpstlichen war, wie das voraus- zusehen, zu Ungunsten ihres Bruders Ascanio ausgefallen, der, seiner Herrschaft entsetzt, nun als Verbannter umherirrte und dessen störrische Charaktereigenschaften auch nach der Restitution durch Julius III. das Vermögen der Familie zerrütteten, so daß sein Sohn Marcantonio, später durch den Sieg bei Lepanto berühmt, sich die Lehen übertragen ließ. Ascanio wurde in Neapel verhaftet und starb als Gefangener im Castelnuovo. Der Frühling 1546 raubte Vittoria auch ihren Neffen, den Marchese del Vasto, der in den Kriegen Karl's V. eine so namhafte Rolle gespielt hat und der nach der blutigen Niederlage von Ceresole, die den Frieden von Crespy bedingte, gleich Pescara die Ungnade seines kaiser­lichen Herrn zu erfahren hatte. Das folgende Jahr eröffnete sich für sie mit dem Verlust eines ihrer ältesten Freunde, des Cardinals Pietro Bembo, der, siebenundsiebzig Jahre alt, am 18. Januar 1547 starb, über seine dichterische Bedeutung hinaus für Italien als sprachlicher Gesetzgeber maßgebend, in kirch­lichen Dingen ein Vertreter maßvoller Tendenzen und ausgleichender Politik. Um dieselbe Zeit zeigten sich bei Vittoria vermehrte Anzeichen einer Krankheit, zu deren Ausbruch die Klosterluft ihrer Wohnung und die Lebensweise, welche sie

Viele Jahre später schrieb selbst der Hauptgegner des Protestantismus, der Cardinal Bellarmin, noch die Worte nieder:Angesichts der Ungewißheit unserer Rechtfertigung und der Gefahr der Selbsttäuschung ist es sicherer, unsere ganze Hoffnung nur auf Gottes Gnade und Güte zu setzen." Man vergl. was Newman über diese Aeußerung des Verfassers derContro- versen" geschrieben hat (kleines to tüs tbirä Läitiou ok tli6 Via insäin, Uorulon 1877, I, x. I. f.)-

Deutsche Rundschau. XVII, 6. 28

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