Heft 
(1891) 66
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Deutsche Rundschau.

führte, beigetragen haben mochten, deren Ursache sicher eher auf jene Seelenleiden zurückzusühren ist, welche ihre letzten Jahre getrübt haben. Sie bewohnte damals das Kloster von Sant' Anna de' Funari auf dem südlichen Theile des alten Marsfeldes, wo seit dem Ende des dreizehnten Jahrhunderts Benedictinerinnen eine Ansiedelung der Tempelherren erworben hatten. Seit Pius VII. ist das mehrfach nebst der Kirche erneuerte Kloster ein Asyl für Waisenknaben. Das düstere Quartier grenzt an jenes, welches der Palast der Caetani auszeichnet. Wie manchesmal hat mich mein Weg, um zu Donna Ersilia Caetani-Lovatelli zu gelangen, durch die Via delle Botteghe oscure geführt, deren Mauerwerk zum guten Theil von dem Circus der Römer genommen ist, und es drängten sich Betrachtungen aus über die Schicksale dieser Stadt und ihrer Bewohner, von den Tagen der glänzendsten Vertreterin ihrer Frauenwelt im sechzehnten Jahrhundert bis herab zu der Freundin, welche das heutige Italien die gelehrteste der Seinigen nennt. Welcher Wandel vor Allem in der Stellung der Familien, denen beide angehören und deren veränderte sociale Position die großen Umwälzungen der letzten Jahrhunderte ausspricht. Vittoria ist indessen nicht bei den Schwestern von S. Anna gestorben, sondern in dem benachbarten Palaste der Cesarini, von denen einer, Giuliano Cesarini, mit einer Colonna vermählt war und wohin man die Kranke behufs besserer Pflege verbracht hatte. Am 25. Februar 1547 beschloß sie da ein Leben, das, wie sie selber sagte,unter vielen bittern, wenig süßen Thränen" verstrichen war. Noch am Abend ihres Ablebens wurde sie, nach Anordnung der von ihr als Testamentsvollstrecker ernannten Cardinäle Pole, Morone und Sadoleto, in der Gruft der Nonnen von S. Anna beigesetzt. Die Stelle ihres Grabes scheint nicht bezeichnet gewesen zu sein, jedenfalls hat sich das Haus Colonna einer bemerkenswerthen Gleichgültigkeit in Bezug aus die Grabstätte seines berühmtesten Mitgliedes beflissen. Die neuesten Unter­suchungen haben aufgewiesen, daß das Grab bei der Abtragung der ältern Kirche zerstört, die Gebeine zerstreut worden sind, so daß jede Möglichkeit geschwunden ist, den irdischen Ueberresten der Dichterin die gebührende Ehre zu erweisen H. Ihr Tod hatte eine unausfüllbare Lücke in den Kreis der Freunde gerissen. Reginald Pole sprach seine tiefe Trauer in einem Briefe vom 5. März dem Cardinal Madruzzo gegenüber aus, indem er sagt, er habe die Marchesa wie eine Mutter verehrt. Michel Angelo war nach dem Zeugnisse Condivi's durch ihr Hinscheiden völlig betäubt und war eine Zeitlang Wie von Sinnen. Er bereute später, daß, als er Vittoria's Leiche sehen ging, er ihr nicht Stirne und Antlitz geküßt habe, wie er ihr die Hand küßte. Und drei Jahre später noch jammert er in einem Briefe, daß der Tod ihm einen so großen Freund geraubt morts ml tolss nno Zranäo anneo.

II.

Es war nicht meine Absicht, das Leben Vittoria Colonna's an dieser Stelle zu erzählen; nur die allgemeinsten Daten desselben wollte ich mir erlauben, der deutschen Leserwelt ins Gedächtniß zurückzurufen, da zwar Alle ihren Namen,

r) Man vergl. die schätzbaren Mittheilungen Domenico Tordi's Lnlia Vonrda äi Vit­toria 6oionna, im Anhänge zu dem6art6Mio" derselben, p. 347 ff.