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Deutsche Rundschau.
denen nach ihrem Tode das sechzehnte Jahrhundert noch sechs andere Drucke hinzufügte. Die beiden folgenden Jahrhunderte brachten jedes nur eine Ausgabe (die Neapolitaner von 1692, wie alle vorhergehenden unvollständig, und die Rota'sche, Bergamo 1760), ein Beweis, daß die Leserwelt ihren Geschmack auch in Bezug auf die Colonneserin geändert hatte. Als im Jahre 1340 der Fürst Alessandro Torlonia sich mit Donna Teresa Colonna vermählte (die Fürstin starb 1875), ließ er durch den bekannten Archäologen Pietro Ercole Visconti eine prächtige, nicht in den Handel gekommene Ausgabe veranstalten, zu welcher u. A. eine Corsini'sche und eine Casanatensi'sche Handschrift benutzt wurden^). Dieser Text wurde im Wesentlichen in der Ausgabe G. Enrico Saltini's wiederholt, welche einen Band der beliebten Barbera'schen Bibliothek der italienischen Classiker bildet^). Eine wohlgemeinte, aber im Ganzen nicht glückliche Ueber- setzung sämmtlicher Sonette unternahm Bertha Arndts (Schaffhausen 1858), einzelne übersetzten K. Witte, G. Grimm, Woltmann ins Deutsche, John Addington Symonds ins Englische. Das treffendste Urtheil über den Werth dieser Dichtungen hat Campori in der „Ilivista inoäerna" 1878 niedergelegt. Mit Recht betont er, daß man sich in der Beurtheilung Vittoria's als Dichterin ebenso weit von der maßlosen Bewunderung ihrer Zeitgenossen als von der Hyperkritik moderner Zeit entfernt halten müsse. „Nicht alle ihre Schöpfungen sind ersten Ranges, manche erheben sich sogar nicht über die Mittelmäßigkeit, und der Mangel an Mannigfaltigkeit der Themas wirkt oft ermüdend auf den Leser. Anderseits erklären die Eleganz der Verskunst, die Zartheit und oft auch die Originalität der Gedanken, der Zauber einer leidenschaftlichen, melancholischen Empfindung, wie sie in diesen Gedichten hervortreten, die Werthschätzung, in welcher sie von ihren Zeitgenossen gehalten wurden und die wiederholte Nachfrage nach neuen Ausgaben^)." Gregorovius hat nicht Unrecht, wenn er die Sonette eine Nachahmung Petrarca's nennt; aber er findet in ihnen doch auch das Gepräge einer selbständigen, sittlich edeln Natur, und man darf Wohl fragen, welcher italienische Sonettendichter sich dem Einflüsse Francesco Petrarca's seit dem 14. Jahrhundert gänzlich zu entziehen gewußt hat. Immerhin hat Vittoria nur in ihrer Zeitgenossin Veronica Gambara eine Rivalin^).
0 llw Uiii, s> äi Viktoria Oolonna, eorrotti 8U 1 t68ti L ponna 6 pubdiicats eou 1a vita äolla in6äo8ima äsl eav. k. L. Vi8 conti. Hoina 1840. 4".
2) Niino 6 Vettoro äi Viktoria 6oionna, Vlare1i68ana äi ?68cara. lüron^o. 6. Larbora. Lä. 1860. 18«.
8) ,-Vti 6 Nornorio äolio II. Oexutarüoni äi Ltoria patria por Io provincis äoll' limilii». Noäona 1878. III, 2. Damit stimmt im Wesentlichen auch Gaspary in seiner vortrefflichen Beurtheilung der Gedichte (Geschichte der italienischen Literatur. Berlin 1888. Bd. II, S. 498 ff.)
9 Mit dieser anderen merkwürdigen Frau des Cinquecento beschäftigt sich gegenwärtig Herr Emilio Costa, von dem wir eine Biographie derselben und hoffentlich eine vollständige Ausgabe ihrer Gedichte zu erwarten haben. Die „Lonotti anroro8i inoäiti o rari" Gambara's hat Costa kürzlich in Parma (1890) veröffentlicht; Anderes verdanken wir Vittorio Ciani (kriinirüo oxi8toiari, V1688. 1890) und Luigi Amaduzzi (Ilnäici lettoro inoäito 6tc. 0ua8talia 1889. Vergl. R. Renier im diorn. 8torico äolla litt, italiana, XIV, 5. Zannoni bei Bonghi, Onitnra IX, 270 f.). Ich behalte mir vor, in dieser Zeitschrift auf Veronica Gambara zurückzukommen.