Heft 
(1891) 66
Seite
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Vittoria Colonna.

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deutsche Annette von Droste-Hülshoff, deren Schicksale und Entwicklung uns vor wenigen Jahren Herman Hüffer in seinem anziehenden Buche geschildert hat, deren poetisches Empfinden ich geneigt bin, höher noch zu schätzen als dasjenige Vittoria's, während allerdings die Wiege der letztem von Grazien umstellt war, welche den Weg zu dem westfälischen Edelfräulein niemals gefunden haben.

Die Zeitgenossen schildern Vittoria als eine durch ihre Schönheit blendende Frau. Jener wenig bekannte Dichter aus Cosenza, Galeazzo die Tarsia, der Italien in einem der schönsten Gedichte des Cinquecento besungen und in einer- wundervollen Strophe das Entzücken geschildert hat, das uns Alle überkommt, wenn uns, jenseits der grauen, eisigen Berge, Italiens balsamische Lüste entge­genwehen derselbe Dichter hat einen Theil seiner Lieder der Verherrlichung Vittoria's gewidmet, und er feiert da vor Allem ihr goldnes, nur der Sonne und den Sternen zu vergleichendes Haar

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Leider gibt es kein Bild Vittoria's, welches dieser Schilderung entspricht. Unbe­stritten ist kein einziges der uns angeblich erhaltenen Bildnisse; die von ihr selbst an Bembo und Guidiccioni geschenkten scheinen untergegangen zu sein. Am meisten Anspruch auf Echtheit dürften haben ein früher Campanari in Mailand, jetzt dem Louvre gehöriges Porträt und ein Girolamo Muziano zugeschriebenes Bild in der Galerie Colonna an Piazza S. Apostoli, früher in Genazzano be­findlich. Auch Paolo Veronese soll Vittoria auf seiner berühmten Hochzeit von Kana im Louvre porträtirt haben, doch stimmt man in der Deutung der Figur nicht überein. Ganz aufgegeben ist die Annahme, die bekannteFornarina" der Galerie der Uffizien stelle Vittoria dar. Das von Visconti und Anderen reprodu- cirte Bildniß der Galerie Colonna läßt weder die geistigen noch die körper­lichen Vorzüge erkennen, welche der Marchesa nachgerühmt werden; eher gilt das von einigen Medaillons des 16. Jahrhunderts, welche Litta aus der Sammlung des Mailänder Museums veröffentlicht hat, und welche auch zum Theil bei Vis­conti und den Herausgebern des Briefwechsels wiederholt sind. Zwei derselben stellen Vittoria in ihren Jugendjahren, auf dem Avers den Marchese von Pescara, bezw. die Insignien des Kriegsgottes dar; zwei andere zeigen die Wittwe, einmal mit Pyramus und Thisbe, ein anderes Mal mit dem Phönix auf dem Scheiterhaufen auf dem Reverse dar. Die beiden letztgenannten dürften die charakteristischsten sein: sie verrathen den muthigen, hohen Sinn der Dichterin und zugleich, in dem wehmuthsvollen Auge das tiefe Leid einer um die besten Hoffnungen dieses Lebens getäuschten Seele.-

Rom hat in diesen letzten Jahren sich wiederholt des Ruhmes seiner Dichterin erinnert. Der König Umberto hat 1883, auf Antrag des Unterrichtsministers Baccelli, eine Mädchenschule nach ihr benannt,damit diese Glorie Italiens den Schülerinnen ein Vorbild sei"; eine Straße, die von dem konto äi Uixstta nach dem neuen Stadttheil der Urati cU OasteUo geht, trägt gleichfalls ihren Namen, und unter den Büsten, welche den Pincio zieren, gewahrt man den Kopf der Marchesa, ein Werk des Bildhauers Carlo Novella. Gleichwohl muß es befremden, daß Vittoria Colonna kein Denkmal besitzt in einem Lande, wo die