Heft 
(1891) 66
Seite
441
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Peber Gensur und Preßfreiheit.

Von

Richard Loening.

Die französische Revolution von 1789 ist die Geburtsstunde des modernen Staats. So wenig die allgemeinen Ideen, die philosophischen Grundlagen, wenn ich so sagen darf, aus denen jene Bewegung hervorgegangen und durch welche man sie zu rechtfertigen suchte, sich als haltbar erwiesen haben, so sehr hat sie im Einzelnen aus allen Gebieten des staatlichen Lebens Grundsätze und Einrichtungen geschaffen, welche, durch das Bedürfniß der modernen Völker ge­fordert, dem heutigen Staate sein eigenartiges Gepräge gegeben haben.

Zu diesen Errungenschaften von 1789, welche von Frankreich aus in das Recht Deutschlands wie der anderen civilisirten Länder des Continents über­gegangen und als bleibender Gewinn für alle Zeiten festzuhalten sind, gehört insonderheit dasjenige Institut, dessen Geschichte und politische Bedeutung den Gegenstand der folgenden Betrachtungen bilden soll: das Institut der Preß­freiheit*).

Ehe ich jedoch mich diesem Gegenstand selbst zuwende, habe ich einige Be­merkungen über den Begriff und die rechtliche Bedeutung der Preßfreiheit voranzuschicken. Dabei wird sich zugleich der Begriff des anderen Instituts er­geben, welches neben der Preßfreiheit als Gegenstand dieses Aufsatzes genannt ist: der Censur.

Alle Freiheit ist ihrem Begriffe nach etwas Negatives; sie ist Verneinung irgend einer Schranke und wird erst durch deren nähere Bezeichnung ver­ständlich.

Den Gegensatz zur Preßfreiheit bildet nun die sog. Censur; Preßfreiheit ist Verneinung der Censur, ist Freiheit von der Censur.

In England ist die Preßfreiheit allerdings schon fast ein Jahrhundert früher zur Geltung gelangt, indem das Parlament 1694 die Erneuerung des Censurgefetzes ablehnte. Allein das englische Recht hat auf die continentale Entwicklung der Preßfreiheit keinen ersichtlichen Einfluß geübt und ist daher im Folgenden außer Betracht gelassen.