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Deutsche Rundschau.
Unter Censur aber ist die Einrichtung verstanden, wonach alle durch den Druck zu veröffentlichenden Schriftwerke vor d er Drucklegung einer obrigkeitlichen Prüfung und Genehmigung bedürfen, ohne solche Genehmigung — ohne das fog. „Imprimatur" — nicht herausgegeben werden dürfen.
Im Gegensatz hierzu bezeichnet daher Preßfreiheit die Befugniß zur Drucklegung und Veröffentlichung beliebiger Schriftwerke, ohne vorher die Genehmigung der Obrigkeit dazu einholen zu müssen.
Gedruckte Schriften oder „Druckschriften" sind nun, inhaltlich betrachtet, nichts Anderes als: in eine bestimmte äußere Form gebrachte menschliche Gedanken und Meinungen. Die Veröffentlichung der Druckschrift ist die Aeußerung oder Mittheilung der darin enthaltenen Gedanken und Meinungen, sonach eine besondere Art menschlicher Meinungsäußerung überhaupt. Diese Art der Meinungsäußerung unterscheidet sich aber von jeder anderen dadurch, daß sie sich nicht nur an einzelne Persönlichkeiten, sondern an jeden Beliebigen, an Alle, an das Publicum wendet.
Die Veröffentlichung von Druckschriften ist daher das Mittel, die Producte des Einzeldenkens zum Gemeingut Aller zu machen, und die Preßfreiheit ist sonach die Freiheit jedes Einzelnen, durch diese Art der Gedankenäußerung auf das allgemeine Denken, auf die öffentliche Meinung einzuwirken, an der Bildung dieser nach eigenem Wollen und Können Theil zu nehmen, ohne den Staat vorher um Erlaubniß zu fragen.
Die Preßfreiheit negirt, wie gesagt, die vorherige obrigkeitliche Prüfung und Genehmigung des zu publicirenden Gedankeninhalts; dagegen besagt sie nicht, daß der Staat auch dem bereits geäußerten und verbreiteten Gedanken gegenüber stets in Passivität verharren müsse.
Der Gedanke selbst in seiner Innerlichkeit geht freilich den Staat nie und nirgend etwas an. „Gedanken find zollfrei", sagt das deutsche Sprüchwort, und „eotzitatioms poenam nemo xatitur" heißt es schon bei den alten Römern. Anders aber steht es mit der Aeußerung oder Mittheilung der Gedanken an Andere. Hierdurch werden äußere Wirkungen, Einwirkungen auf die Vorstellung der Anderen, hervorgebracht, und das kann, je nach dem Inhalte der geäußerten Gedanken, verbrecherisch und strafbar sein. Gewisse Verbrechen bestehen eben gerade in rechtswidriger Gedankenmittheilung an Andere; so die Beleidigung, die Gotteslästerung, die Aufforderung zum Hochverrath oder zum Ungehorsam gegen die Staatsgewalt, die Mittheilung von Staatsgeheimnissen, die Verbreitung unzüchtiger Darstellungen u. a.
Bei diesen Verbrechen ist das Mittel der Gedankenäußerung gleichgültig; sie können wie durch mündliche Rede oder durch Begebung schriftlicher Aufzeichnung, so auch durch Veröffentlichung von Druckschriften beleidigenden, gotteslästernden, hoch- oder landesverrätherischen, unzüchtigen Inhalts verübt werden. Sie werden, wenn in dieser Form verübt, als Preßver brechen oder Preßdelicte bezeichnet.
Wo daher ein solches Preßverbrechen begangen ist, da hat der Staat in gleicher Weise strafend einzuschreiten und der Weiterverbreitung der strafbaren