Heft 
(1891) 66
Seite
443
Einzelbild herunterladen

Ueber Cmsur und Preßfreiheit.

443

Druckschrift durch Confiscation, bezw. Beschlagnahme Einhalt zu thun, wie wenn das betr. Verbrechen (die Beleidigung, die Aufforderung zum Hoch­verrat u. f. w.) in anderer Form verübt wäre, trotz aller Preßfreiheit.

Preßfreiheit ist nicht Freiheit von jeder Schranke, sie besteht nicht in der Schrankenlosigkeit der Presse; vielmehr ist sie gebunden an die Schranken des Rechts, und jede Ueberschreitung dieser Schranken jeder Mißbrauch der Preßfreiheit unterliegt der staatlichen Strafe. Wohl aber beschränkt sie das staatliche Einschreiten eben auf die Repression gegen das bereits verübte Delict; sie versagt dem Staate die Prävention, die vorherige Censur behufs Verhütung erst noch zu verübender Delicte.

Mit diesem Unterschiede zwischen Repression und Prävention hängt ein anderer Punkt zusammen, der dem Gegensätze zwischen Censur und Preßfreiheit erst seine volle Beleuchtung gibt.

Die Preßfreiheit gestattet das staatliche Einschreiten nur dann, wenn durch die Veröffentlichung einer Druckschrift das Recht verletzt, ein Verbrechen begangen, eine Strafe verwirkt ist. Ob dies zutrifft oder nicht, ist in jedem Falle nach Maßgabe der bestehenden Strafgesetze durch richterliches Urtheil zu entscheiden. Die Censur dagegen knüpft die vorherige Entscheidung über die Druckerlaubniß an keinerlei Rechtsschranken, überhaupt ankeine feste objective Regel; die Genehmigung kann versagt werden nicht nur wegen Rechts­widrigkeit des zu publicirenden Inhalts, sondern auch, weil derselbe in irgend einer anderen Beziehung dem Staate als nachtheilig, als be­denklich oder mißfällig erscheint. Daher liegt auch die Handhabung der Censur nicht in den Händen der stets an bestimmte Gesetze gebundenen Gerichte, sondern polizeilicher Behörden, welche nach Gutdünken und Ermessen, ja nach Willkür und Laune darüber entscheiden können.

So beruht der Gegensatz zwischen Preßfreiheit und Censur im letzten Grunde darin, daß die Preßfreiheit jedem Einzelnen ein, durch rechtliche Schranken zwar begrenztes, aber eben hierdurch auch gesichertes und unter richter­lichen Schutz gestelltes Recht der Meinungsäußerung mittelst der Presse gewährt, während die Censur jede solche Meinungsäußerung von dem Gutdünken und Belieben der staatlichen Polizei abhängig macht und damit ein selbständiges Recht der Meinungsäußerung dem Einzelnen überhaupt versagt.

So der begriffliche und rechtliche Gegensatz beider Institute. Dazu kommt aber noch ein politischer Unterschied, welcher die Wirkung beider Systeme, ihre Bedeutung für das öffentliche Leben betrifft.

Die öffentliche Meinungsäußerung, der öffentliche Meinungsaustausch und Meinungskamps ist der Weg, auf welchem sich alle geistige Fortentwicklung der Nationen vollzieht; das wichtigste und bei den modernen Verhältnissen unent­behrliche Mittel der öffentlichen Meinungsäußerung ist aber die Presse.

Indem die Censur nun diese Art der Meinungsäußerung an die Genehmi­gung des Staates bindet, stellt sie die geistige Fortentwicklung selbst unter die Aufsicht und Einsicht der jeweiligen Inhaber der Staatsgewalt, macht sie jeden Fortschritt im Gesammtleben einer Nation von dem Verständniß, den Interessen und dem guten Willen der jeweiligen Machthaber abhängig. Sie führt sonach