Ueber Censur und Preßfreiheit.
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Andere eine ganz ungeahnte Ausdehnung gewonnen hatte, wurde an der bisherigen' selbstverständlichen Freiheit der privaten wie öffentlichen Meinungsäußerung zunächst nichts geändert.
Aber dem sollte bald anders werden.
Es ist verhängnißvoll geworden für die Geschichte des Preßwesens, daß seine erste Entwicklung gerade in die Zeit der beginnenden religiösen Bewegung fiel. Diese bemächtigte sich alsbald der neuen Kunst, um ihre reformatorischen, dem hergebrachten Kirchenthum feindlichen Ideen in der Bevölkerung zu verbreiten, und es gelang ihr, damit Maffenwirkungen zu erzielen, wie sie wenige Jahrzehnte früher noch undenkbar gewesen wären. Dem bestehenden Kirchen- thume erschien aber diese neue Verbreitungsweise um so gefährlicher, als die mechanisch vervielfältigten Geistesproducte sich viel leichter, als bisher möglich gewesen, in das Gewand der Anonymität oder Pseudonymität kleiden und dadurch das repressive Einschreiten gegen die wahren Urheber überaus erschweren konnten.
Wollten die kirchlichen Gewalten dieser, ihrer Machtstellung bedrohlichen Bewegung Einhalt thun, so mußten sie vor Allem der neuen Verbreitungsweise entgegentreten. Sie sahen sich daher veranlaßt, eine Aufsicht über das gesammte Druckwesen in Anspruch zu nehmen, und erließen demgemäß das Verbot, daß keine Schrift gedruckt werden dürfe, ohne vorher von den kirchlichen Oberen auf ihre Rechtgläubigkeit geprüft und genehmigt zu sein.
So ist die erste Einführung der Büchercensur von der katholischen Kirche ausgegangen, als ein Schutzmittel gegen die andringende reformatorische Bewegung. Die Anfänge dazu finden sich bezeichnender Weise gerade in Deutschland, in den rheinischen Erzbisthümern; bereits in den siebziger und achtziger Jahren des 15. Jahrhunderts sehen wir hier geistliche Censurkommissionen in Thätigkeit. Papst Alexander VI. Borgia hat dann durch Bullen von 1496 und 1501 die geistliche Censur zu einer allgemeinen Einrichtung der katholischen Kirche gemacht, wiederum unter besonderer Bezugnahme auf die Verhältnisse in Deutschland.
„Da wir erkannt haben," — heißt es in der Bulle Inter nrultixlicW von 1501 — „daß durch die Buchdruckerkunst sehr viele Bücher und Abhandlungen in den verschiedenen Theilen der Welt, namentlich im kölnischen, mainzischen, trierischen und magdeburgischen Sprengel gedruckt worden sind, welche verschiedene Jrrthümer und verderbliche, ja selbst der christlichen Religion feindliche Lehren enthalten, und dergleichen ollerwärts von Tag zu Tag gedruckt werden, so verbieten wir — bestrebt einer derartigen verabscheuungswürdigen Verderbniß ohne Ausschub entgegen zu treten — allen Buchdruckern insgesammt bei Strafe der Excommunication und bei einer Geldstrafe, welche durch unsere ehrwürdigen Brüder, die Erzbischöfe zu Köln, Mainz, Trier und Magdeburg oder deren geistliche Generalvicare oder Officialen aufzulegen und zu vollziehen ist, ernstlich, daß sie in Zukunft Bücher, Abhandlungen oder irgend welche Schriften drucken oder drucken zu lassen irgendwie sich unterstehen, ohne zuvor darüber die Erzbischöfe oder obgenannte Stellvertreter und Officialen um Rath zu fragen und ohne die besondere und ausdrückliche Er- laubniß ausgewirkt zu haben; und wir machen es Jenen zur Pflicht, bevor sie solche Erlaubniß ertheilen, das zu Druckende sorgfältig zu prüfen und fest darauf zu achten, daß nichts gedruckt Werde, was dem strengen Glauben zuwider, gottlos oder Aergerniß erregend ist."
Weitere allgemeine Censurverordnungen ergingen unter Leo X. im Jahre 1515, wie auch unter den folgenden Päpsten; dieselben wurden von dem Triden-