Heft 
(1891) 66
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Ueber Censur und Preßfreiheit.

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eines Bürgermeisters und Raths" die Worte hinzugefügt sind:Geschehen uff Anhalten der Pfaffen".

Die Maske fällt nach der Niederwerfung des Schmalkaldischen Bundes durch Carl V. Die auf dem Reichstage zu Augsburg 1548 erlassene Reichs-Polizei­ordnung macht die bisher nur provisorisch, bis zum nächsten Concil, und anscheinend, um diesem nicht vorzugreifen, angeordnete Censur zu einer dauern­den Einrichtung im Reich, und zwar ausgesprochener Maßen zum Schutze der katholischen Kirche und Lehre, zugleich aber nunmehr auch zum Schutze der neu befestigten kaiserlichen Gewalt. Die Reichsstände sollen darauf sehen,daß in ihren Landen nichts geschrieben oder gedruckt werde, so der katho­lischen Lehr, der heiligen christlichen Kirchen ungemäß und widerwärtig, oder zu Unruhe und Weiterung Ursach geben könne"; ferner nichts Aufrühre­risches, Schmähliches oder Pasquillisches oder sonst dem Reichsabschied Zuwider­laufendes. Die Verletzung der Censur durch die Buchdrucker wird mit Nieder­legung des Handwerks und schwerer Geldstrafe bedroht.

So ist denn auch die weltliche Censur in Deutschland im Kampfe gegen die Reformation, als Schutzmittel für den alten gegen den neuen Glauben zur Ein­führung gelangt. Da nun aber ihre Handhabung nicht unmittelbar in die Hände des Reichs, sondern in die der Landesobrigkeiten gelegt war, so konnte sie, nach­dem die protestantischen Stände im Augsburger Religionsfrieden von 1555 ihre Gleichberechtigung errungen hatten, auch fernerhin von Reichs wegen beibehalten werden; nur mußte jetzt ihre specielle Beziehung aus den Schutz der katholischen Lehre in den Reichsgesetzen gestrichen werden. Die protestantischen Stände, von denen der resormatorische Geist freier Forschung und Kritik bereits gewichen war, konnten sich nun des bisherigen Mittels der Gegner zum Schutze ihrer eigenen Orthodoxie, zur Unterdrückung abweichender Meinungen im eigenen Lager ebenso wie zur Abwehr der Gegenreformation bedienen.

Die späteren Reichsgesetze wiederholen demgemäß das Gebot der Censur, es zunächst jedem Reichsstande überlassend, in welchem Sinne er dieselbe handhaben Will. Doch wird der kaiserliche Fiskal beim Reichskammergericht, eine Art von Reichsstaatsanwalt, mit der Oberaufsicht betraut, ja, es wird in der kaiserlichen Bücherkommission zu Frankfurt a. M. von Reichs wegen eine besondere Ober- Censurbehörde eingesetzt: eine Maßregel, welche bekanntlich die Verlegung des Hauptsitzes des deutschen Buchhandels von Frankfurt nach Leipzig zur Folge hatte.

Ebenso stereotyp wie die Anordnungen sind aber in diesen Reichsgesetzen auch die Klagen über nachlässige Handhabung der Censur durch manche Obrig­keiten, wie über Umgehung der Censur durch Buchdrucker und Schriftsteller. Und schon wird auch darüber geklagt, daß nicht nur Religion und Privatehre, sondern auch die überlieferte Reichs- undStaatsordnung durch uncensirte Schriften angegriffen werde. Ja, selbst wissenschaftliche Untersuchungen hierüber werden in jener Ruhe liebenden Zeit bereits für gefährlich angesehen und die Landesobrig­keiten besonders zu deren sorgfältiger Prüfung und Ueberwachung angewiesen; denn, wie es in einem kaiserl. Edict von 1715 heißt:

die tägliche Erfahrung zeigt, daß diesen so oft ergangenen heilsamen Verordnungen und Reichsgeboten an verschiedenen Orten nicht nachgelebet, vielmehr solchen schnurgerad entgegen, hin