Issue 
(1891) 66
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Deutsche Rundschau.

und wieder dergleichen schmähsüchtige Bücher heimlich gemacht, gedruckt und ausgebreitet, nicht minder aber auch auf öffentlichen Universitäten über das -Iu3 civils 6t publicum sehr schädliche, des heiligen römischen Reiches Gesetze und Ordnungen anzapfende, verkehrte neuerliche Lehren, Bücher, Theses und Disputationes angehebt, und dadurch viele, so ohnzulässige als tiefschädliche Neuerungen gegen die teutsche Grundveste, folglich Unordnungen in dem teutschen Reich ein­geführt werden."

Mochte nun aber auch die kaiserliche Gewalt in immer neuen Wiederholungen eine schärfere Anspannung der Censur fordern, und mochte sie in ihren Erblanden selbst in diesem Geiste Vorgehen, so waren trotzdem nach Beilegung der Religions­wirren, in der Zeit vom dreißigjährigen Krieg bis zur französischen Revolution, die Zustände aus diesem Gebiete für einen großen Theil Deutschlands ganz er­trägliche. Einerseits lag dies daran, daß in dieser ganzen Periode keine irgend lebhaftere Bewegung aus politischem, socialem oder religiösem Gebiete zu Tage trat, welche die Regierungen zu einem tendenziösen und verfolgungssüchtigen Auf­treten hätte veranlassen können; in den meisten protestantischen und in manchen katholischen Landen wurde die Censur in einem gemäßigten und toleranten Sinne geübt. Andererseits aber machte sich die Zersplitterung des Reiches in jene Un­zahl von größeren und kleineren Territorien, sowie die Eifersüchtelei und Miß­gunst der einzelnen Territorialgewalten gegen einander hier einmal in vortheil- hafter Weise geltend. Die sog.Solidarität der conservativen Interessen" war damals noch nicht erfunden. Wie man zwar in Stuttgart nichts zum Drucke zuließ, was gegen die dortigen Regierungsmaximen gerichtet war, so durfte in Jena nichts erscheinen, was die Gerechtsame der Staaten und Fürsten des ernestinischen Hauses in Frage stellte; allein in Württemberg durfte man über Weimar und in Weimar über Württemberg ungenirt schreiben, was man wollte. Und so gab es in Deutschland nicht leicht irgend Etwas, worüber man nicht wenigstens an irgend einem Orte Deutschlands mit unbeschränkter Freiheit sich hätte äußern können."

Dazu kam, daß zur Ausübung der Censur damals noch nicht, wie in der Reactionszeit des 19. Jahrhunderts, untergeordnete und unwissende Polizeigeister berufen wurden, sondern hohe Staatsbeamte, Gelehrte und andere Bildungs­repräsentanten. Insbesondere war die Censur häufig den Universitäts- Facultäten übertragen, und so habe ich auch für unser Jena in einem alten Statutenbuche des hiesigen Schöppenstuhls eine landesfürstliche Verordnung von 1653 gefunden, wonach Hierselbst keine Schrift gedruckt werden durfte ohne vor­herige Prüfung und Genehmigung derjenigen Facultät, in deren Gebiet sie einschlug.

In diesem Sinne befahl auch Friedrich der Große, als er im Jahre 1749 die Censur in seinen Staaten neu einrichtete, daßzu solcher Censur ein ganz vernünftiger Mann ausgesucht und bestellt werde, der eben nicht alle Kleinig­keiten und Bagatelles releviret und aufmutzt"; und bekannt ist der Ausspruch des Königs:Gazetten, wenn sie interessant sein sollen, müssen nicht geniret werden."

Akademien und Universitäten, sowie deren einzelne Mitglieder waren in mehreren Staaten überhaupt von jeder Censur befreit, und so konnte der be­rühmte Göttinger Historiker Schlözer in seinenStaatsanzeigen" einen Sprech­saal eröffnen, in welchem Beschwerden aus allen Theilen Deutschlands über