Issue 
(1891) 66
Page
451
Turn right 90°Turn left 90°
  
  
  
  
  
 
Download single image

Ueber Censur und Preßfreiheit.

451

Kritik unausbleiblichen Mißbräuchen und Pflicht Widrigkeiten in der öffentlichen Verwaltung. In letzterer Beziehung hatte schon Schlözer den drastischen Ausspruch gethan,daß die ständische Verfassung ohne Publicität und Preß­freiheit nur allzu leicht zur privilegirten Landesverrätherei werde." Und was den möglichen Nutzen der Censur betraf, so sah man, daß die wirklich schädlichen, die beleidigenden, zur Gewalt aufreizenden, sittenverderbenden Schriften trotz aller Censur ihren Weg ins Publicum sehr Wohl zu finden wußten.

Vor Allem aber beginnt sich jetzt unter directer Einwirkung der französischen Menschenrechte ein brennendes Gefühl geltend zu machen, daß eine solche staat­liche Bevormundung des geistigen Verkehrs denn doch freier, mit Vernunft begabter Menschen unwürdig sei. Aus der Freiheit der menschlichen Natur und einer ab- stracten bürgerlichen Freiheit wird das Postulat der Preßfreiheit abgeleitet.

In diesem Sinne hatte der damals noch freisinnige Friedrich Gentz in seinem berühmten Sendschreiben an Friedrich Wilhelm III. bei dessen Thron­besteigung 1797 die Preßfreiheit gefordert als ein Recht des freien Bürger­thums, als einen Bestandtheil der bürgerlichen Freiheit. So begründete der Rostocker Jurist Adolph Dietrich Weber in seinem berühmten BucheUeber Injurien und Schmähschriften" (1794) die Verwerflichkeit der Censur u. a. damit, daß dieselbe unzertrennlich verknüpft sei mit einer Verletzung aller Menschenrechte.

Der Druck der bald folgenden napoleonischen Invasion ließ die Frage der Preßfreiheit naturgemäß für einige Zeit in den Hintergrund treten. Je des­potischer aber unter der Fremdherrschaft jede nationale Meinungsäußerung unter­drückt wurde, desto mehr befestigte sich im Inneren der Gemüther die Ueber- zeugung von der Gerechtigkeit und Notwendigkeit der Preßfreiheit, und zwar auch in den Kreisen der Regierenden selbst, so daß nach der Abwerfung des fremden Joches diese Ueberzeugung geradezu als die allgemeine in Deutschland gelten konnte. Und in der That hatte es nun für einen Augenblick den Anschein, als ob dem deutschen Volke als Preis seiner Kämpfe und Siege mit anderen Poli­tischen Reformen auch die ersehnte Preßfreiheit zu Theil werden würde. Die Regierenden waren dankerfüllten Herzens bereit, ihren Unterthanen einen Beweis des Vertrauens zu geben und damit zugleich den Gegensatz gegen das Regierungs­system Napoleon's zum Ausdruck zu bringen.

Wie mit der Einführung constitutioneller Verfassungen, so gingen auch hier die (neuerdings doch Wohl über Gebühr verunglimpften) Mittelstaaten voran. In den Jahren 18141818 wurde die Censur theils ausdrücklich, theils still­schweigend beseitigt in Württemberg, in Hessen-Darmstadt, in Mecklenburg, in Sachsen-Weimar, in Nassau. In Bayern war sie bereits 1803 aufgehoben worden, da man sich durch die Erfahrung überzeugt habe, daß dieselbeweder gerecht noch zweckdienlich, noch hinreichend sei".

Mit diesen Maßnahmen einzelner Regierungen stand es sonach nur im Ein­klang, wenn in der deutschen Bundesakte vom 8. Juni 1815 Art. 18 die Ver­heißung ausgesprochen wurde, daß sich die Bundesversammlung bei ihrer ersten Zusammenkunft mit Abfassung gleichmäßiger Verfügungen über die Preß­freiheit beschäftigen werde. In der That trat die Bundesversammlung zu

29 *