Issue 
(1891) 66
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Deutsche Rundschau.

Frankfurt a. M. auch au die Berathung der Frage heran und beauftragte im Jahre 1817 den Oldenburgischen Gesandten, Herrn v. Berg, mit der Anfertigung eines Berichts über das in den deutschen Staaten geltende Preßrecht.

Allein, ehe es zu einer Beschlußfassung über diesen am 12. Oktober 1818 erstatteten Bericht kam, führte plötzlich eines der unseligsten Ereignisse der neueren deutschen Geschichte einen völligen Umschwung der Lage herbei, die Ermordung Kotzebue's durch den Jenaer Burschenschafter Karl Sand am 23. März 1819.

Die Reactionspartei, die mit Allem, was irgend aus der Revolution hervor­gegangen war, auszuräumen bestrebt war, gewann jetzt, unter dem Eindruck dieser blutigen That, die Oberhand, und Metternich war ihr allmächtiger Leiter. Unter seiner Führung begann nun in Deutschland der Kamps, wie gegen die constitu- tionelle Verfassung, gegen die nationalen Freiheits- und Einheitsbestrebungen überhaupt, so insbesondere gegen deren Hauptvertreterin, die freie Presse. Preußen leistete Oesterreich in diesem unedlen Feldzug willig Heeresfolge, und der Bundes­tag diente als gefügiges Werkzeug.

So wurde denn die erwähnte Verheißung der Bundesakte von 1815 einfach ignorirt, und aus Grund der berüchtigten Karlsbader Beschlüsse erging der Bundesbeschluß über die Presse vom 20. September 1819, durch welchen wie durch die gleichzeitigen Maßregeln gegen die demagogischen Umtriebe und gegen die Universitäten der nationalen Bewegung ein Ende gemacht werden sollte. In sämmtlichen Bundesstaaten mußten hiernach alle täglich oder heftweise er­scheinenden Druckschriften sowie alle Schriften bis zu 20 Bogen wiederum der Censur unterworfen werden, und es wurde ausdrücklich erklärt, daß, da es gerade auf vorbeugende Maßregeln gegen den Mißbrauch der Presse ankäme, solche Gesetze, die nur auf Bestrafung bereits verübter Preßdelicte abzielten, in keinem Bundesstaat als zureichend gelten könnten. Der Bundesversammlung selbst wurde außerdem die Befugniß beigelegt, Druckschriften, welche der Würde des Bundes, der Sicherheit einzelner Bundesstaaten oder der Erhaltung des Friedens oder der Ruhe in Deutschland zuwiderliefen, aus eigener Autorität zu unter­drücken, und die Landesregierungen wurden verpflichtet, einen solchen Ausspruch des Bundes ohne Weiteres zu vollstrecken.

Dieser Bundesbeschluß von 1819, zunächst nur auf fünf Jahre erlassen, nach deren Ablauf aber auf unbestimmte Zeit verlängert, hat nun in Kraft ge­standen, bis das Jahr 1848 dieser ganzen, von Metternich inspirirten Bundes­misere ein zunächst allerdings nur zeitweises Ende bereitete.

Die Censur war durch den Bundesbeschluß, wie einst zur Zeit der Re­formation, in den Dienst einer bestimmten Richtung und Partei, und zwar jetzt einer politischen Partei gestellt, und der ganze Rigorismus einer um ihre Existenz und ihre Macht kämpfenden Partei machte sich bei ihrer Vollziehung geltend. Sie sollte ausgesprochener Maßen der Reaction, d. h. der absolutisti­schen und partikularistischen Richtung als Schutzmittel dienen gegen den Libera­lismus, d. h. gegen die aus der Revolution und den Befreiungskriegen stam­menden constitutionellen und nationalen Tendenzen. Je mehr man auf jener Seite die Macht dieser Tendenzen, ihren Einfluß auf die Gemüther fürchtete, desto ängstlicher, mißtrauischer, verfolgungssüchtiger verfuhr man nun bei allen