lieber Censur und Preßfreiheit.
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Werken und Schriften, die auch nur von ferne einen liberalen Anstrich zu haben fchienen. Die Periode von 1819 —1848 ist die Zeit jener tendenziösen und gehässigen Censurplackereien, welche soviel dazu beigetragen haben, eine feindselige Stimmung der Nation gegen ihre Regierungen hervorzurusen.
Und nicht nur gegen einzelne bestimmte Schriften, sondern gegen ganze Zeitungsunternehmen, gegen sämmtliche erschienenen wie noch erscheinenden Verlagswerke gewisser Buchhandlungen, ja gegen alle, frühere wie zukünftige, Schriften gewisser Schriftsteller, wie derjenigen des „jungen Deutschlands", erging der Bannstrahl des Verbots.
Zu der Unterdrückung der Schriften kam dann noch die persönliche Verfolgung der Hauptstimmführer der liberalen Bewegung. So wurden im Jahre 1832 auf Veranlassung des Bundestages die Freiburger Professoren v. Rotteck und Welcker Seitens der badischen Regierung ihres Lehramtes entsetzt, weil sie als Theilnehmer an der Redaction des „Freisinnigen" „sich zu verderblichen, der öffentlichen Ordnung und Ruhe feindseligen, die Grundlage der bestehenden Staatseinrichtung untergrabenden Lehren bekannt, diese verbreitet und dadurch ihre Unfähigkeit zur Verwaltung des ihnen anvertrauten Amtes unverkennbar an den Tag gelegt haben."
Im Einzelnen hing die Handhabung der Censur natürlich viel von den Persönlichkeiten ab, welche an den verschiedenen Orten mit dem Censorenamte betraut oder in die Obercensurbehörden (als welche in Preußen 1843 sogar ein „Ober- censurgericht" eingesetzt wurde) berufen waren. So wurde z. B. in Leipzig, wo nach alter Sitte noch die Professoren der Universität, u. A. ein Gottfried Hermann, als Censoren fungirten, die Censur in milderer Weise geübt als anderwärts, wie es schon die Rücksicht auf den dort blühenden Buchhandel erforderte. Im Allgemeinen aber wurde bei der Auswahl der Censoren mehr auf Gesinnungstüchtigkeit als aus Bildung gesehenH, und der Unverstand, die Kleinlichkeit und Aengstlichkeit so mancher Censoren, die gelegentlich auch den literarischen und ästhetischen Kritiker zu spielen liebten, bot nun, damit der Sache auch der Humor nicht fehle, den Anlaß zu den vielen damals umgehenden Censurcuriosa und Censuranekdoten.
Am Besten wird der Geist der damaligen Censur charakterisirt durch die in den einzelnen Staaten erlassenen Censurinstructionen, für welche in derjenigen des preußischen Staatsministeriums vom 20. Januar 1843, einer Zusammenstellung und Erläuterung der älteren Bestimmungen von 1819 und 1824, ein Beispiel gegeben werden mag.
Zunächst wird hier allerdings gesagt, daß die Censur keine ernsthafte und bescheidene Untersuchung der Wahrheit hindern, noch den Schriftstellern ungebührlichen Zwang auslegen, noch den freien Verkehr des Buchhandels hemmen soll.
i) Auf dem Karlsbader Kongresse hatte sich der württembergische Abgesandte, Graf Wintzingerode, gegen die Censur erklärt, „weil man schwerlich so viele tüchtige Subjecte zu Censoren finden werde." Aber auf geistige Tüchtigkeit kam es jetzt gar nicht mehr an.