Issue 
(1891) 66
Page
454
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454 Deutsche Rundschau.

Allein nach diesem harmlos erscheinenden Aushängeschild geht es folgendermaßen weiter:

Durch die Censur soll dagegen

1. der Druck solcher Schriften verhindert werden, welche mit den Hauptgrundsätzen der Religion im Allgemeinen und des christlichen Glaubens ins­besondere im Widerspruche stehen, welche also

entweder den Grund aller Religion überhaupt angreifen oder die wichtigsten Wahrheiten derselben verdächtigen, verächtlich oder lächerlich machen wollen, oder welche die christliche Religion, die biblischen Schriften und die darin vorgetragenen Geschichts- und positiven Glaubenswahrheiten für das Volk zum Gegenstände des Zweifels oder gar des Spottes zu machen suchen,^ oder welche, selbst wenn sie für einen engeren Kreis von Lesern oder nur für Gelehrte bestimmt sind, unanständige, lieblose, zur Vertheidigung der eigenen oder ruhigen Widerlegung entgegengesetzter Meinungen nicht unmittelbar ge­hörende Angriffe auf andere Glaubensparteien enthalten, oder welche endlich Religionswahrheiten auf fanatische Weise in die Politik hinüberziehen und dadurch Verwirrung der Begriffe verbreiten.

In Schriften dieser Art ist auch dem jetzt vielfach hervortretenden, für den religiösen und moralischen Zustand des Volkes verderblichen Bestreben nicht Raum zu geben, die religiösen Wahrheiten anzugreifen und durch die Ergebnisse philosophischer Deductionen zu ersetzen.

Unzulässig zum Druck ist

2. was die Moral und guten Sitten beleidigt, oder wovon eine Verführung zur Jmmoralität zu besorgen ist.

Die Druckerlaubniß ist weiter

3. solchen Schriften zu versagen, welche die Würde, die innere und äußere Sicherheit sowohl des preußischen Staates als der übrigen deutschen Bundesstaaten verletzen,

welche also Theorien entwickeln, welche auf Erschütterung der Verfassung der preußischen Monarchie oder der anderen Bundesstaaten abzielen, oder dahin streben, im preußischen Staate oder in den deutschen Bundesstaaten Miß­vergnügen zu erregen und gegen bestehende Verordnungen aufzureizen, oder welche Versuche involviren im Lande oder außerhalb desselben Parteien oder gesetzwidrige Verbindungen zu stiften, oder in irgend einem Lande be­stehende Parteien, welche am Umsturz der Verfassung arbeiten, in einem günstigen Lichte darzustellen;

oder welche endlich Verunglimpfungen der mit dem preußischen Staate in freund­schaftlicher Verbindung stehenden Regierungen und der sie constituirenden Personen enthalten."

Der Censor soll bei all dem nicht bloß auf den Inhalt, sondern auch aus Ton und Tendenz der Schrift achten.

In leidenschaftlicher oder unanständiger Sprache geschriebene Aufsätze und Stellen soll er nicht durchlassen, Verspottungen oder Verunglimpfungen gesetzlich bestehender Einrichtungen oder anmaßenden geringschätzigen Tadel derselben nicht dulden, auch solche Artikel nicht zum Druck verstatten, welche dahin zielen, Zwiespalt zwischen den im Lande vorhandenen Ständen und Confessionen zu säen und dieselben unter sich oder gegen die Regierung aufzuregen. In allen diesen Beziehungen gilt es gleich, ob die feindselige Tendenz direct kund gegeben oder hinter der Ausführung von angeblichen Thatsachen oder von Gerüchten versteckt wird."

Auch auf eine Bestimmung der königlich sächsischen Censurinstruktion vom 5. Februar 1844 sei kurz hingewiesen, nach welcher die Druckerlaubniß u. A. nicht nur solchen Schriften zu versagen ist,welche den Umsturz der Verfassung oder des öffentlichen Rechtszustandes bezielen", sondern überhaupt allen, welche einen anderen Vereinigungspunkt für die deutsche Nation bezwecken,