lieber Censur und Preßfreiheit.
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als den in der Gründung des deutschen Bundes gegebenen; insbesondere ferner solchen Schriften, welche sich mit dem Institute der Censur selbst in einem herabwürdigenden oder aufregenden Tone beschäftigen. Die Gründe für Verweigerung der Druckerlaubniß sollen stets nur der Vorgesetzten Behörde, nicht dem Antragsteller mitgetheilt werden.
Es ist begreiflich, daß sich gegen eine nach solchen Grundsätzen gehandhabte Censur, die den Geist der Nation zu ertödten, jede Fortbildung ihrer öffentlichen Verhältnisse zu Hintertreiben trachtete, der volle Haß, der Hohn und Spott aller Derer richtete, die von der Nothwendigkeit einer solchen Fortbildung überzeugt Waren; und das war damals die große Masse der bürgerlichen Bevölkerung Deutschlands, die große, noch ungeschiedene liberale Partei. Auf alle Weise sucht man hier die Censur zu umgehen, sie zu täuschen, ihr „ein Schnippchen zu schlagen". Was in Deutschland selbst nicht gedruckt werden konnte, wird trotz allen Verbots vom Ausland her eingeführt. An der Grenze, besonders in der Schweiz und im Elsaß, etabliren sich Druckereien und Verlagsgeschäste, welche die deutschen Nachbarlande mit ihren, nun zum Theil erst recht aufreizenden und aufrührerischen Produkten überschütten.
Die Preßfreiheit aber wird nun das Palladium des Liberalismus; sie Wird eben jetzt als ein eminent politisches Recht angesehen, als Voraussetzung einer Wirksamen Antheilnahme der Bevölkerung an den staatlichen Dingen, als Grundbedingung eines freien Verfassungszustandes. Ja, der politische Idealismus der Zeit führt theilweise zu einer solchen Ueberschätzung, daß man in der Preßfreiheit das Universalheilmittel gegen alle politischen Schäden, die sichere Garantie für alles Gute, Wahre und Schöne erblickt: ein Standpunkt, von dem aus die Censur nicht nur als Unterdrückung von Meinungsäußerungen erscheint, sondern als Wahrheitsunterdrückung schlechthin.
An den bestehenden Machtverhältnissen konnte indeß jener Haß wie dieser Idealismus zunächst nichts ändern. Mochte in den Kammern der Mittel- und Kleinstaaten, denen Metternich trotz aller Neigung die Redefreiheit nicht hatte entziehen können, noch so sehr gegen die bundestägliche Tyrannei gewettert werden: Oesterreich und Preußen hielten ihre starke Hand über Deutschland, und alle Anderen mußten sich fügen.
Nur ein deutscher Staat hatte in dieser vormärzlichen Zeit den Muth, dem Bunde zu trotzen und in offenem Widerspruche gegen die Beschlüsse von 1819 die Censur für sein Gebiet zu beseitigen. Dieser Staat war das Großherzogthum Baden.
Nach der Thronbesteigung des bürgerfreundlichen und liberal gesinnten Großherzogs Leopold war hier, aus Initiative der von den Ideen von 1789 beseelten zweiten Kammer, das Gesetz über die Polizei der Presse vom 28. December 1831 zu Stande gekommen, dessen Hauptsätze dahin lauteten:
„Alle Censur der Druckschriften, welche im Großherzogthum herauskommen, ist aufgehoben.
„Wer durch den Inhalt einer Druckschrift sich eines Verbrechens schuldig macht, verfällt in diejenige Strafe, womit die bestehende Gesetzgebung dieses Verbrechen überhaupt bedroht, wobei jedoch die Verübung durch den Druck als Erschwerungsgrund gelten soll.
„Die Erkennung dieser Strafen erfolgt durch die Gerichte, und zwar im Wege des öffentlichen und mündlichen Anklageprocesses."