Ueber Censur und Preßfreiheit.
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und stellte vorsorglich den Satz auf: „lla esusurs ns xourra janmis strs rs- tadlis." Dabei ist es denn auch, trotz aller späteren Bedrückungen der Presse unter Napoleon III., bis auf den heutigen Tag in Frankreich verblieben.
Die französische Julirevolution hat auf das politische Leben in Deutschland bekanntlich eine bedeutende Rückwirkung geübt, und gerade der Umstand, daß sie durch ein Attentat gegen die freie Presse hervorgerufen war, und daß ihr Sieg somit vor Allem auch einen Sieg der Preßfreiheit darstellte, mußte in Deutschland das Verlangen nach dieser wie das Vertrauen auf einen gleichen Sieg gewaltig erhöhen. Es unterliegt keinem Zweifel, daß die zweite badische Kammer, als sie im Jahre 1831 auf den Antrag Welcker's die Initiative zu dem, den Bundesvorschriften widersprechenden Preßgesetz ergriff, die Anregung hierzu aus den jüngsten Vorgängen in Frankreich geschöpft hatte. Und so war es denn natürlich, daß hierbei auch inhaltlich das französische Recht, und zwar gerade das Gesetz über die periodische Presse von 1828, dessen Sistirung den Anlaß zur Revolution gegeben hatte, bei dem neuen badischen Preßgesetz zum Muster genommen wurde.
Ich kann daher nicht umhin, mit einigen Worten auf den Inhalt dieses französischen Gesetzes einzugehen.
Seit der durch die Revolution von 1789 hervorgerufenen, lebhaften und leidenschaftlichen Antheilnahme aller Schichten der Bevölkerung an den öffentlichen Dingen hatte das Zeitungswesen einen enormen Aufschwung und eine bisher ungeahnte Bedeutung gewonnen. Die Zeitungen, bisher nur Träger von Nachrichten, wurden jetzt wie Vermittler und Träger der öffentlichen Meinung überhaupt, so auch die wichtigsten Repräsentanten der verschiedenen, um die Macht im Staate kämpfenden politischen Parteien. „Wenn das Gehirn der Menschheit kocht," sagt Louis Blanc in seiner Geschichte der Revolution, „wenn das Herz eines Jeden mit Heftigkeit schlägt, wenn auf allen Lippen die erregten Leidenschaften sich in brennende Worte übersetzen, wenn in einer schnelllebigen Welt das Heute das Gestern verschlingt, um selbst wieder von dem Morgen verschlungen zu werden, dann ist die Aera der Bücher geschlossen: die Aera der Journale öffnet sich."
Freilich mußten nun auch die mannichfachen Ausschreitungen des Gedankens, welche von erregten politischen Kämpfen unzertrennlich sind, hauptsächlich in den Zeitungen ihre Ablagerung finden.
Solchen Ausschreitungen konnte nach Aufhebung der Censur Seitens des Staats nur noch durch nachträgliche Bestrafung entgegengetreten werden. Eben diese Bestrafung stieß aber bei Zeitungen aus eine eigentümliche Schwierigkeit; nämlich die, daß die wahren Schuldigen, welche wegen eines in einer Zeitung verübten Preßverbrechens zur Strafe zu ziehen waren, nur allzu häufig nicht ermittelt werden konnten. Die Zeitungsaufsätze erschienen meist anonym oder unter falschem Namen; die Herausgeber und Redacteure stellten ihrerseits die Autorschaft in Abrede, ja behaupteten, von dem strafbaren Product gar keine Kenntniß gehabt zu haben, und das Gegentheil konnte ihnen meist nicht nachgewiesen werden. So konnte die Aushebung der Censur für die periodische Presse leicht dazu führen, dem Staate trotz zweifellos vorhandener Verbrechen jedes Ein-