Issue 
(1891) 66
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Ueber Censur und Preßfreiheit.

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Publication hat geschehen lassen, weil er sie nicht verhindert hat. Diese Strafe trifft den Geranten daher auch dann, wenn eine andere Person als wirklicher Thäter ermittelt und bestraft wird.

Diese strafrechtliche Haftung des verantwortlichen Geranten, kraft deren er also, als eine Art Sündenbock der periodischen Presse, Strafen aus sich zu nehmen hat, die von Anderen verwirkt sind, steht freilich mit dem obersten Grundsatz des modernen Strafrechts, wonach Jeder nur für das zu büßen hat, was er selbst gethan, nicht im Einklang. Allein abgesehen von dieser allerdings bedenklichen Singularität, war es den Franzosen mit dem Institut der verantwortlichen Geranten doch in meisterhafter Weise gelungen, mit einem Schlage sowohl für möglichste Verhütung von Preßdelicten, als für sichere Bestrafung im Falle ihrer Verübung Vorsorge zu treffen: eine legislatorische Technik, die alle Be­wunderung verdient.

Mit der Einsetzung der perants responsables war in Wahrheit eine Art von Privatcensur begründet. Die öffentliche, staatliche Censur hatte fallen müssen; aber an die Stelle des staatlichen Censors trat jetzt eine Privatperson, Welche ebenso wie bisher jener verpflichtet wurde, die zu publicirenden Aussätze vorher zu prüfen und Rechtswidrigkeiten aber auch nur solche darin zu verhüten; und zwar eine Privatperson, welche durch ihre Betheiligung an der gewerblichen Seite des Unternehmens persönlich daran interessirt war, Be­triebsstörungen, Wie sie bei Strafbarkeit des Inhalts durch Beschlagnahmen, Confiscationen u. s. W. eintreten konnten, möglichst zu vermeiden.

Eben dieser, dem Staate von vorn herein benannte und bekannte, im Ein­zelsall nicht erst zu ermittelnde Privatcensor ermöglichte sodann, kraft seiner Ver­antwortlichkeit, für alle Fälle auch die Bestrafung der in der Zeitung begangenen Delicte, mochten die wahren Schuldigen ermittelt werden oder nicht.

Diese Garantiebestimmungen des französischen Gesetzes von 1828 waren es nun, welche in das badische Preßgesetz von 1831 hinübergenommen wurden. Ja, in der zweiten badischen Kammer glaubte man sogar, oder behauptete wenigstens, daß durch derartige Bestimmungen der bundestäglichen Forderung vorbeu­gender Maßregeln völlig Genüge geschehe, und daß somit das badische Gesetz dem Bundesbeschluß von 1819 gar nicht zuwiderlaufe: eine freilich ganz so­phistische Annahme, für welche Baden bald genug zu büßen haben sollte. Jeden­falls aber faßte man damals auch in Baden die genannten Vorschriften als einen Ersatz für die Censur H, als eine Garantie gegen die Vergehungen der periodischen Presse auf.

Nur in einer Beziehung nahm das badische Gesetz eine Aenderung an dem französischen Rechte vor, sofern nämlich die gesetzliche Ueberwachungs- und Haft­pflicht hier nicht mehr einem pecuniär interessirten Geschästsleiter, sondern viel­mehr dem geistigen Leiter des Blattes, dem Redacteur, obliegen sollte, welcher nach dem Bundesbeschluß von 1819 aus allen in Deutschland er­scheinenden Zeitungen und Zeitschriften genannt werden mußte. Aus dem Kurant responsable wurde so derVerantwortliche Redacteur".

i) Eben deshalb wurde die Einrichtung der Z6rg.ut8 r68pou8ubl68 in das belgische Preß­gesetz vom 20. Juli 1831, welches jede Art von Censur perhorrescirte, nicht ausgenommen.