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Deutsche Rundschau.
lieber die Tragweite dieser Aenderung war man sich jedoch damals in Baden nicht ganz klar geworden; man hielt dieselbe für unwesentlich und glaubte daher, im Uebrigen die französischen Bestimmungen ruhig beibehalten zu können. Dies führte nun aber in der Praxis zu einem höchst überraschenden Resultat, das in der That geeignet war, den Werth dieses ganzen Garantiesystems in Frage zu stellen.
Nach dem badischen Gesetz soll nämlich der „Verantwortliche Redacteur", ebenso wie der französische Gerant, der Polizei bereits vor der Herausgabe der Zeitung benannt werden, und eben diese von vorn herein und ein für alle Mal benannte Person soll dann für jedes erscheinende Blatt oder Heft der Zeitung verantwortlich sein. Zu einer wirklichen Redactionsthätigkeit war aber diese, als „Verantwortlicher Redacteur" benannte Person in keiner Weise verpflichtet worden, und jedenfalls war ihre Haftbarkeit von der Vornahme einer solchen durchaus nicht abhängig gemacht.
Daraus ergab sich nun die Folge, daß der, als solcher genannte, Verantwortliche Redacteur einer Zeitung nicht der wirkliche, und umgekehrt, daß der wirkliche nicht der Verantwortliche Redacteur derselben zu sein brauchte. Es ergab sich die Möglichkeit, daß als Verantwortliche Redacteure der Polizei Personen benannt wurden, die mit der Zeitung überhaupt gar nichts zu thun hatten, weder mit der Redaction noch mit dem gewerblichen Betriebe,- ja Personen, die zu einer wirksamen Controle des Blattes gar nicht die nöthige Fähigkeit und Bildung besaßen, — die der Behörde eben gerade nur darum benannt wurden, um gegebenen Falles die durch das Blatt verwirkten Strafen zu bezahlen oder abzusitzen. Das Gesetz ermöglichte so durch seine eigenen Bestimmungen die Aufstellung und Benennung sog. Sitzredacteure oder Stroh redacteure, über welche dann hinterher so viel Klage und Entrüstung laut geworden ist.
Dieses badische Preßgesetz von 1831 ist nun, wie erwähnt, die Grundlage für die ganze weitere Entwickelung des deutschen Preßrechts geworden. Allerdings war ihm selbst zunächst nur eine kurze Geltungszeit beschieden. Wenige Monate, nachdem es in Kraft getreten, mußte es auf das kategorische, von der Drohung militärischer Exemtion begleitete Verlangen des Bundestags wieder aufgehoben, bezw. in einer dem Bundesbeschluß von 1819 entsprechenden Weise abgeändert werden (Juli 1832). Die Censur hielt wieder ihren Einzug in Baden. Aber gerade diese Vergewaltigung umgab das Gesetz mit dem Glorienschein liberalen Märtyrerthums; es wurde das Idol der liberalen Partei, und als nun die Stürme des Jahres 1848 durch das Land brausten und den Sieg des Liberalismus über den Absolutismus verkündeten, da erlebte das Gesetz vom Jahre 1831 nicht nur in Baden selbst seine Wiederauferstehung, sondern wurde auch von den meisten anderen Bundesstaaten bei dem schleunigen Erlaß neuer Preßgesetze zum Vorbild genommen-