Politische Rundschau
Berlin, Mitte Februar.
Die Colonialdebatten im deutschen Reichstage erhielten ein besonderes Interesse durch die Thatsache, daß in Bezug aus Ostasrika das deutsch-englische Abkommen vorangegangen war, so daß die internationalen Beziehungen Deutschlands in den Kreis der Betrachtungen gezogen werden mußten. Sowohl hinsichtlich Südwest-Asrikas als auch hinsichtlich der ostasrikanischen Kolonie wurden die von der Regierung beanspruchten Kredite im Wesentlichen bewilligt, mit der Einschränkung jedoch, daß die Vorschläge der Commission zur Annahme gelangten, welche zum Schutze der deutschen Interessen in Ostasrika und sür Maßregeln zur Unterdrückung des Sklavenhandels 2 500 000 Mark sür ausreichend erachtete, während die Regierung im Etat eine Million mehr ausgewogen hatte. In Verbindung mit dem erwähnten Titel gelangte auch das Gesetz über die kaiserliche Schutztruppe sür Deutsch - Ostasrika zur Verhandlung. Obgleich auch bei den jüngsten Colonialdebatten die srüheren principiellen Widersprüche zur Erscheinung kamen, dars doch in ersreulicher Weise constatirt werden, daß Freunde und Gegner sich bemühten, in ebenso maßvoller wie sachlicher Weise ihre Aussassung zur Geltung zu bringen. Der Reichskanzler General von Caprivi war zugleich in der Lage, die gegen das Abkommen mit England erhobenen Einwendungen im Einzelnen zu erörtern. Von besonderem Interesse war der Hinweis aus die Directive, die Kaiser Wilhelm am 2. Mai 1890 vor Einleitung der Verhandlungen mit der britischen Regierung gab, eine Direetive, die, wie der Reichskanzler betonte, auch heute noch die Grundlage bezeichnet, aus der die Colonialregierung steht. Einige dieser Punkte sind inzwischen bereits erledigt, wie denn unter Anderem die Regelung der Interessensphären in der vorgezeichneten Weise ersolgt ist. So war vorgesehen, daß im Nothsalle Witu, vorbehaltlich der Befriedigung deutscher Ansprüche, als Compensationsobject dienen sollte. Die llebernahme der Hoheitsrechte in dem innerhalb der deutschen Zone liegenden Küstenstriche auf das Deutsche Reich ist gleichfalls durchgesührt worden, nicht minder die Umwandlung der Truppe des Reichscommissars von Wissmann in eine kaiserlich deutsche Schutztruppe, sowie die Schaffung einer über dem Reichscommissar und den sonst betheiligten deutschen Behörden stehenden Centralstelle mit dem Sitze aus dem afrikanischen Festlande. Von ganz besonderer Wichtigkeit war die Anordnung, daß die Verwaltung des Küstenstriches und des übrigen Schutzgebietes unmittelbar dem Deutschen Reiche zu übertragen sei.
Vom 1. April d. I. an wird denn auch die Colonialverwaltung in Deutsch- Ostasrika eine veränderte Gestalt erhalten. An die Spitze der Verwaltung in der Kolonie tritt dann als Gouverneur Freiherr von Soden, der, mit den tropischen Verhältnissen wohl vertraut, in Kamerun bereits gezeigt hat, welche Erfolge durch Energie und sachgemäßes Vorgehen erzielt werden können. Der neue Gouverneur wird allerdings nicht bloß administratives Geschick an den Tag legen, sondern auch mit feinfühligstem Tacte Vorgehen müssen, falls Emin Pascha und Wissmann nach wie vor
Deutsche Rundschau. XVII, 6. 30