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Deutsche Rundschau.
ihre bewährten Dienste der deutschen Colonialpolitik widmen sollten. Die Meinungsverschiedenheiten zwischen diesen beiden wohlverdienten Männern werden vielleicht eher ihren Ausgleich finden, sobald an Ort und Stelle ein in Colonialangelegenheiten competenter Gouverneur in der Lage ist, unverzüglich eine maßgebende Entscheidung zu treffen. Mit besonderer Genugthuung wurde die Versicherung des Reichskanzlers begrüßt, daß die Colonialregierung sich sreuen würde, wenn Major von Wissmann, dessen Functionen als Reichscommissar am 1. April ablaufen, und Emin Pascha ihre Erfahrungen und ihre Energie auch fernerhin der Colonisation von Ostafrika widmen wollen. Freilich muß mit Nachdruck daran festgehalten werden, daß sie dem neuen Gouverneur, Freiherrn von Soden, untergeordnet bleiben.
Die Mittheilungen, welche General von Caprivi über die Beziehungen Deutschlands zu England hinsichtlich der Colonialstolitik gab, waren nicht minder bedeutsam. In Bezug aus einen Punkt des deutsch-englischen Abkommens, der Anfechtung erfahren, konnte sich der deutsche Reichskanzler aus seinen Vorgänger im Amte, den Fürsten Bismarck, berufen. Als im October 1889 die Frage der Annectirung des Küstenstriches angeregt war, ließ Fürst Bismarck von seinem Landsitze aus die Mahnung ergehen, sich vor einem eventuellen Vorgehen sorgfältig zu vergewissern, ob nicht Engländer daselbst bessere Rechte hätten oder zu haben glaubten. Die Erhaltung von Lord Salisbury hätte, wie Fürst Bismarck erklären ließ, für ihn mehr Werth als „ganz Witu". Als das Protectorat von Zanzibar zur Erörterung gelangte, fand bereits im November des Jahres 1888 in der Budgetcommission des deutschen Reichstages eine Verhandlung statt, bei der die Frage angeregt wurde, ob nicht dasjenige, was Deutschland gegenwärtig besitzt, aus dem Wege friedlichen Ausgleiches mit England erreicht werden könnte. Es handelte sich um den zehn Meilen breiten Küstenstreifen, der durch eine Abfindung des Sultans von Zanzibar erlangt werden sollte, während beabsichtigt wurde, die Engländer an anderer Stelle zu entschädigen. Damals wies Fürst Bismarck, wie sein Nachfolger im Reichstage hervorhob, daraus hin, daß zuerst England gefragt werden müßte und setzte hinzu: „England ist für uns wichtiger als Zanzibar und ganz Ostasrika".
Mit Recht ist hervorgehoben worden, daß die Freundschaft Deutschlands für England nicht minder werthvoll ist, als diejenige Englands für Deutschland. Es darf jedoch daran erinnert werden, daß die englische Regierung durch die Abtretung der Insel Helgoland deutlich genug ihr Entgegenkommen bekundet hat. Wie gering auch die Bedeutung der Insel für Großbritannien gewesen sein mag, konnte doch keinem Zweifel unterliegen, daß in Deutschland großer Werth aus den Besitz Helgolands gelegt Wurde. Das deutsch-englische Abkommen sichert überdies der deutschen Colonialverwaltung so umfassende Gebiete, daß die bewährten Männer, die in den letzten Jahren ihre Kräfte dem Vaterlande in fernen Zonen gewidmet haben, vollauf Gelegenheit finden werden, ihre ersprießliche Wirksamkeit zu bethätigen. Ein Argument, das zu Gunsten der Colonialpolitik noch in Betracht kommt, ist der Eifer, mit dem die verschiedenen Nationen ihren Colonialbesitz zu erweitern oder doch sestzuhalten bestrebt sind. Selbst die schlimmen Erfahrungen, welche neuerdings von den Spaniern mit den ihnen durch päpstlichen Schiedsspruch zuertheilten Karolinen-Jnseln gemacht worden sind, vermochten diesen Eifer nicht abzukühlen. Andererseits hat auf afrikanischem Boden ein allgemeiner Wettkampf begonnen, an dem Deutsche und Engländer, Franzosen und Italiener, Portugiesen und der unabhängige Congostaat betheiligt sind, ein Wettkampf, der, wie gehofft werden darf, nach endgültiger Abgrenzung der Interessensphären sich in durchaus friedlicher Weise vollziehen wird.
Die italienische Regierung, deren Colonialpolitik ebenfalls vielfache Anfechtung im Parlamente erfahren hat, wird jedenfalls auch nach dem Sturze Crispüs an den bereits von dessen Vorgänger in Bezug auf Massowah befolgten Grundsätzen sesthalten. Der am 31. Januar nicht etwa bei einer Frage der hohen Politik, sondern aus Anlaß einer Zolldebatte herbeigeführte Sturz des bisherigen italienischen Conseilpräsidenten ist jedenfalls das bedeutsamste Ereigniß der letzten Wochen. Allerdings erscheint dieser