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Deutsche Rundschau.
schuft Von einem Dutzend Deputaten ausweist. Neben sieben Karlisten werden auch zwei kubanische Autonomisten in den Cortes erscheinen. Mit großer Spannung war das Ergebniß erwartet worden, das von den Republikanern erzielt werden würde. Im Ganzen sind ihnen jedoch trotz dem allgemeinen Wahlrechte nur fünfundzwanzig Mandate zugefallen, eine Thatfache, die von ihren Parteiführern darauf zurückgeführt wird, daß die politische Erziehung der spanischen Bevölkerung noch nicht allzu große Fortschritte gemacht habe. Zugleich wird der Vorwurf gegen das Ministerium erhoben, daß es die Wahlbeeinfluffungen mit Nachdruck betrieben habe; ja, die Republikaner scheuten selbst nicht vor der Anschuldigung zurück, daß Fälschungen der Wahlergebnisse erfolgt feien. Insbesondere weifen sie darauf hin, daß, während die ersten Wahldepefchen den Sieg ihres Parteigenossen Salmeron in zwei Wahlkreisen meldeten, die officiellen Berichte nur Niederlagen des republikanischen Führers constatiren. Bei dem hohen Ansehen, das Salmeron innerhalb der republikanischen Partei genießt, kann es nicht überraschen, daß diese für den angeblich um seinen Sitz in den Cortes betrogenen Genossen öffentliche Kundgebungen inscenirten.
Während in Spanien das dem Ministerium Canovas del Castillo günstige Wahl- ergebniß von Anfang an vorhergefehen werden konnte, erscheint es. völlig ungewiß, wie die parlamentarischen Verhältnisse in Oesterreich nach der Auflösung des Abgeordnetenhauses auf Grund der bevorstehenden Neuwahlen sich gestalten werden. Eine gewisse Klarheit ist durch die Demission des österreichischen Finanzministers von Dunajewski in die - Situation gebracht worden; war es doch dieses Mitglied der polnischen Fraction des Reichstages, welches seiner Zeit erklärte, daß ohne die Deutschen in Oesterreich regiert werden könnte. Sehr erfreulich wäre es daher, falls die Entlassung des bisherigen Finanzministers auch das Zugeständniß enthielte, daß tatsächlich die Regierung in Oesterreich ohne die Deutschen unmöglich ist. Daher kann es nicht überraschen, daß die Deutschen bei der Wahlbewegung für den österreichischen Reichsrath alle Hebel ansetzen, um die Demission Dunajewski's, sowie die Auflösung des Abgeordnetenhauses zur Stärkung der eigenen Sache zu verwerthen. In der Begründung des Wahlaufrufes der vereinigten Linken betonte denn auch der bewährte Parteiführer von Plener insbesondere die Bedeutung des Rücktrittes Dunajewski^s. Freilich erscheint die Annahme durchaus zutreffend, daß die politische Lage noch keine vorzeitigen Hoffnungen oder positiven Erwartungen gestatte, vielmehr die größte Vorsicht auf deutscher Seite, sowie die Wahrung freier Hand für künftige Parteigruppirungen erheische. Wenn andererseits darauf hingewiesen wird, daß nunmehr die Zeit für alle gemäßigten Parteien in Oesterreich gekommen sei, so läßt die deutsch-liberale Partei diese Auffassung durchaus gelten, indem sie sich darauf beruft, sie sei die gemäßigte, an Oesterreich festhaltende, alle unpatriotischen Kampfesmittel verschmähende, zugleich aber ihren Grundsätzen treu bleibende Partei und wolle eine ruhige Entwicklung, sowie wirth- fchastliche Reformen. In dem Wahlaufrufe selbst wird betont, daß die Deutschen zwar keineswegs die nationale Entwicklung der nichtdeutschen Volksstämme verkümmern wollen, aber gewisse Ansprüche staatsrechtlichen Charakters, durch welche das ganze einheitliche Gefüge der Staatsverwaltung in Frage gestellt werde, nicht zugeben können. Wie sie auf den Schutz der eigenen Nationalität im Umfange des ganzen Reiches mit allem Nachdrucke bedacht sind, betonen sie auch den Wunsch, daß diese Streitfragen nicht immer wieder aufgeworfen werden, vielmehr zunächst Raum geschaffen werde sür ersprießliche Reformen, für die ihnen die Mitwirkung der anderen Parteigruppen nur willkommen sein kann. Was die Haltung der Deutschen gegenüber der Regierung betrifft, so wird mit allem Nachdrucke versichert, daß sie ihre Unterstützung einer Regierung nicht versagen würden, welche den österreichischen Staatsgedanken in den Vordergrund rückt, die Verwaltung von nationalen Parteibestrebungen frei hält, der berechtigten Stellung der Deutschen Rechnung trägt und mit entschiedenem, mannhaftem Auftreten thatsächlich die Führung der öffentlichen Meinung übernehme. Jedenfalls dürfen die Deutschen in Oesterreich der Sympathien ihrer Stammesgenosfen im Reiche in Bezug auf die Verwirklichung ihrer Bestrebungen sich in vollem Maße versichert halten.