Heft 
(1879) 26
Seite
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G. Baue in Leipzig.

Wo wir ja keine bleibende Statt haben, zu der unvergänglichen himmlischen Statt erhoben, zogen sie getrosten Muthes der neuen Heimat zu, welche König Friedrich Wilhelm I. von Preußen in seinem Lande ihnen hochherzig ange- boten hatte. Und was hatte es nun mit diesen Pilgern aus Salzburg sür eine nähere Bewandtniß? Eine Beantwortung dieser Frage durch eine kurze Geschichte der Salzburger Emigranten rollt ein eben so erhebendes als ergreifendes Leidens- und Lebensbild aus der evangelischen Diaspora vor uns aus.

Die Emigration oder Auswanderung steht in einem eigen- thümlichen Verhältnis; zur geossenbarten Religion, und zwar nach zwei verschiedenen Richtungen hin, für welche die Auswanderung Abrahams nach Kanaan und die Auswanderung Israels ans Aegypten vorbildlich sind. Einmal nämlich hat die natürliche Religion, weil sie eben nichts anderes ist, als das Erzeugniß der natürlichen religiösen Anlage des Volkes, welchem sie angehört, immer einen nationalen Charakter, sie ist an ein bestimmtes Land und Volk gebunden und trachtet nicht, darüber hinaus sich auszubreiten. Die geoffenbarte Religion dagegen beruht auf einem höheren Princip, welches dem natürlichen Leben der Menschen eingepslanzt werden soll, und darum wohnt ihr mit Nothwendigkeit der Trieb, sich auszubreiten bei. Von diesem Triebe erfüllt, ist Abraham, sobald ihm das höhere Princip der alttestamentlicheu Offenbarung aufgegaugen war, ans der Umgebung seiner heidnischen Stammesgenossen nach Kanaan ansgewandert in das Land, von welchem, wie die vorbereitende Offenbarung des alten, so die vollendende Offenbarung des neuen Bundes über die Menschheit sich ansbreiten sollte. Auf der andern Seite hat die natürliche Religion von Seiten des Volkes, inmitten dessen sie erwachsen ist, keine Verfolgung zu gewärtigen, weil eben alle von Natur ihre Auhäuger sind. Wohl aber kann der natürliche Volks­geist ans Grund des Aberglaubens seiner natürlichen Religion gegen den besseren Glauben der Bekenner der geossenbarten Religion sich empören, welche unter einem Volke leben. Das haben die Israeliten in Aegypten erfahren, und darum sind auch sie ausgewandert, um sich eine Stätte zu suchen, an welcher sie dem wahren Gott, der sich ihnen geoffenbart hatte, ungehindert dienen könnten. Auch im Christenthnm hat nun nach diesen beiden Seiten hin noch Auswanderung stattgefunden. Um das Evangelium auszubreiten, hat der Heiland seinen Aposteln geboten, hinanszngehen in alle Welt, und um das Evangelium vor Verfolgung zu bewahren, haben viele Glieder der ersten Christengemeinde Jerusalem verlassen, und auch das hat ja freilich der wunderbare Gott, der, was Menschen böse zu machen gedenken, gut zu machen weiß, seinem Evangelium zu Segen gewendet. Aber leider sind Auswanderungen der letzteren Art nicht blos durch Verfolgungen ver­anlaßt worden, welche Juden und Heiden über die christliche Gemeinde ver­hängten, sondern auch durch solche, welche Christen gegen Christen ergehen ließen, insbesondere durch die, welche die römische Kirche gegen diejenigen