Heft 
(1879) 26
Seite
189
Einzelbild herunterladen

- Die Salzburger Emigranten. - H8st

herausbeschwor, denen Christus mehr gilt, als der Papst, und das feste Wort Gottes mehr, als die kirchliche Ueberlieferung.

In Frankreich war nach langen furchtbaren Kämpfen endlich im Jahre 1598 von Heinrich IV. durch das für unwiderruflich erklärte Edict von Nantes den Evangelischen volles Staatsbürgerrecht, Glaubensfreiheit und unter gewissen Beschränkungen sogar das Recht öffentlichen Gottesdienstes verbürgt worden. Im daraus folgenden Jahrhundert aber suchte Ludwig XIV. in der zweiten Hälfte feiner zwciuudsiebzigsährigen Regierung theils die von ihm augestrebte staatliche Einheit seines Reiches auch durch Wiederherstellung der kirchlichen Einheit zu stärken, theils die Schuld feines früheren lockeren Lebens durch kirchliche Strenge gut zu machen. Nachdem durch Hofgunst und Bestechungen die Zurückführung Einzelner in den Schooß der alleinseligmachenden Kirche gelungne war, griff man, um Mafsenbekehrungen zu bewerkstelligen, zu dem kräftigeren Mittel der grausamsten und rassiuirtesteu Verfolgung, und im Jahre 1685 wurde dasunwiderrufliche" Edict von Nantes kurzweg aufgehoben. Eine halbe Million der intelligentesten, kunststeiszigsten und rechtschaffensten Unterthanen Frankreichs entzog sich diesen Verfolgungen durch Auswanderung nach Holland und namentlich nach Brandenburg. Denn hier hatte der große Kurfürst, nachdem seine energischen Proteste gegen das Verfahren des französischen Königs sich als fruchtlos erwiesen hatten, auf die Aufhebung des Edicts von Nantes mit seinem Edict von Potsdam, vom 29. October 1685, geantwortet, durch welches er den verfolgten Glaubens­genossen unter den günstigsten Bedingungen in seinem Lande eine neue Heimat anbot.

Man sollte denken, daß solche Verfolgungen, wie sie in Frankreich statt- fauden, in Deutschland infolge der Bestimmungen des westphälischen Friedens vom Jahre 1648 unmöglich gewesen seien. Aber es ist eben eine, obwohl noch weit verbreitete, doch irrthümliche Meinung, daß durch diesen Frieden allen Angehörigen der evangelischen wie der römischen Kirche freie Religionsübung gestattet worden sei. Vielmehr wurde nur den deutschen Reichsständen, d. h. den Fürsten und reichsstüdtischen Obrigkeiten, dieses Recht eingeräumt. Daher blieben unter einer Regierung von der einen Con- scssion die Bekenner der andern nur geduldet, so daß sie beispielsweise mit einem bloßen Hausgottesdienste sich begnügen mußten. Wurde ihnen der Druck, welchen die herrschende Consession ausübte, unerträglich, so bot nur das ihnen vorbehaltene traurige Recht der Auswanderung das Mittel dar, sich ihm zu entziehen. Auch das Toleranz-Edict Josephs II., dessen hundertjähriges Gedächtniß in zwei Jahren gefeiert werden wird, hat den Evangelischen in Oesterreich neben dem vollen Staatsbürgerrecht nur die Freiheit eines stillen Gottesdienstes gewährt und in Tirol und Ungarn nie­mals Geltung erhalten. Ja sogar die Bundesacte von 1815 hat nur ver­ordnet, daß die Verschiedenheit der christlichen Religionsparteien keinen Unterschied der bürgerlichen und politischen Rechte begründe, und das Revolutionsjahr 1848