Heft 
(1879) 26
Seite
190
Einzelbild herunterladen

190

G. 1.1 anr in Leipzig.

hat hinzukommen müssen, um den österreichischen Protestanten das Recht zu verschaffen, anstatt bloßer Bethäuser wirkliche Kirchen mit Thürmen und Glocken zu erbauen. Es liegt aber in der Natur der Sache, daß evangelische Unterthanen hinter Regierungen römischen Bekenntnisses sich übler befanden, als umgekehrt. Denn eben so gewiß, als die römische Kirche durch ihr Princip, weil sie sich eben für die alleinseligmachende hält, genöthigt ist, intolerant zu sein, muß die evangelische Kirche Toleranz üben, weil sie doch auch den Angehörigen anderer christlicher Bekenntnisse die Möglichkeit zum Heile zu gelangen nicht abspricht. Und eben so natürlich ist es, daß unter der Regierung geistlicher Fürsten die evangelischen Unterthanen jenen Druck ganz besonders schwer empfanden. Ein solches geistliches Fürsten­thum war nun das Erzbisthnm Salzburg.

Dieses deutsche Reichsland umfaßte in der Zeit vor der Emigration aus 180 Ou.-M. 250,000 Einwohner. Nach dein westphälischen Frieden war es neben den drei geistlichen Kurfürstenthümern, Mainz, Köln und Trier, das einzige deutsche Erzbisthnm geblieben. Und sein Erzbischof war mit mancherlei werthvollen Vorrechten ausgestattet. Er durste den Adel verleihen, Geld prägen und Zölle erheben, führte auf dem Reichstage, abwechselnd mit den Erzhcrzögen von Oesterreich, das Direetorium des Fürstencollegiums und aus der geistlichen Fürstenbank den Vorsitz, seine Gesandten gingen den Fürsten in Person vor, und er wurde von kaiserlicher SeiteEw. Liebden" titulier, während die übrigen geistlichen Kurfürsten sich mit der AnredeEw. Andacht" begütigen mußten. An Macht und Ansehen also, seinen Willen durchzusetzen, fehlte es ihm nicht. Nun hatten sich bekanntlich um die Zeit des Augsburger Religionsfriedens (1555) neun Zehntel aller Deutschen der Reformation zugewandt. Wie in Baieru und Oesterreich, so hatte sie auch in Salzburg Eingang gesunden. Anhänger jener von der römischen Kirche geächteten Männer, welche man als Reformatoren vor der Reformation bezeichnet hat, Waldenser und Hussiten, hatten sich in die salzburgischen Berge geflüchtet und ihr dort den Weg bereitet. Im Jahre 1520 wurde der bekannte Freund und Gönner Luthers, Johann von Staupitz, aus Meißen gebürtig, Hosprediger des Erzbischofs und blieb es bis zu seinem 1524 erfolgten Tode. Seine mystischer Beschaulichkeit zugewandte Geistesrichtung vermochte es, mit dem römischen Kirchenthume sich zurecht zu finden, und er trat der Reformation äußerlich nicht bei; aber seine weitverbreiteten, von evangelischen! Geiste durchdrungenen Erbauungsschristen halfen ihren Ideen Eingang verschaffen. Und die Bauern und Bergleute Salzburgs horchten gern den Predigten, welche ein Sohn ihres Standes so hell und gewaltig aus Wittenberg erschallen ließ; und selbst in der Residenzstadt des Erzbischofs bekannten sich viele Bürger, und gerade die reichsten und angesehensten, zu Luthers Lehre.

Aber schon hatte jener Orden, welcher zuerst der Bekehrung der Heiden zur römischen Kirche sich hatte widmen wollen, dann aber in der Zurück-