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G. Baur in Leipzig.
von Leibes- und Lebensstrafen zu einer grausamen Zwangspflicht gemacht. War dort für die, welche ihren Entschluß auszuwandern kundgegeben hatten, eine Vorbercitungsfrist von drei Jahren ausbedungen, so sollten jetzt alle Nichtansässigen, Arbeiter und Tagelöhner, Knechte und Mägde, sowie alle irgendwie im erzbischöflichen Dienste Beschäftigten, binnen acht Tagen auswandern, und nur den Ansässigen wurde nach Maßgabe ihres geringeren oder größeren Vermögens eine Frist von einem bis zu drei Monaten gewährt. Der Ruf der Entrüstung, welcher sich gegen diese brutale Gewaltthat erhob, bewirkte wenigstens so viel, daß für die Ansässigen der Answanderungstermin aus den Georgstag, also den 23 Ilpril, 1732 verlegt, auch sonst Einzelnes gemildert wurde. Aber schon in den Schlußmonaten des Vorjahres waren zuerst 800, dann 500 gewaltsam ausgetrieben worden, ohne daß man ihnen Zeit gelassen, ihren festen Besitz zu veräußern, ihre bewegliche Habe und ihre Familienglieder zu sammeln. Und noch nach der Publicirung der mildernden Verordnung übte man dieselbe Härte gegen die Nichtansässigen, deren drittehalb Tausend im Januar und Februar 1732 in die grimmige Winterkälte hinausgestoßen wurden.
Die evangelische Welt blieb von den Leiden ihrer Glaubensgenossen nicht ungerührt. In die zu Regensburg errichtete Emigrantenkasse flössen aus den evangelischen Ländern Deutschlands, aus England, Holland, Dänemark, Schweden fast eine Million Gulden (888,381) zusammen. Vor allem aber gab jetzt König Friedrich Wilhelm seiner früher im Allgemeinen ausgesprochenen Einladung durch ein Patent vom 2. Februar 1732 bestimmtere Gestalt. Er wollte die Salzburger, welche seiner Einladung zu folgen gesonnen seien, als seine Unterthanen angesehen wissen und verlangte vom Erzbischof freien und unverkümmerten Abzug, von den Regierungen, deren Gebiet sie zu passiren hatten, freien Durchzug für sie. Er bewilligte jedem Mann täglich 4 Gr., jeder Frau und Magd 3, jedem Kinde 2, was damals wohl das Dreifache des Werthes bedeutete, den heutzutage ein solcher Zehrpfennig haben würde. Endlich ordnete der König einen besonderen Commissar ab, der den Auswandernden mit Rath und That zur Hand sein, ihre Rechte wahren, ihre verschiedenen Züge eintheilen und dirigiren sollte. Seine Einladung fand in Salzburgs Bergen das freudigste Echo. Und nun wurde es dem Erzbischof und seinen Gesinnungsgenossen doch bange nur eine herandrohende Verödung des Landes. Aber es war zu spät! Der gewaltigen Bewegung war weder durch freundliches Zureden, noch durch Gewalt mehr Einhalt zu thun. Im Gerichte Radftadt wunderten 3962 Personen aus und nur 442 blieben zurück, im Gerichte Wersten blieben von 500 ansässigen Bauern 7 übrig. Umsonst kam jetzt der Erzbischof mit dem überschlauen Vorwurf, daß Preußen ihm seine Unterthanen zur Abtrünnigkeit verleitet habe; es war nur die alte, aus der Fabel her bekannte Anklage des Wolfes, dem das weiter unten am Bache stehende Lamm das Wasser getrübt haben sollte. Um den festgesetzten Termin des Georgstages 1732 verließen gegen