Heft 
(1879) 26
Seite
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Die Salzburger Emigranten.

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treu und fleißig zu dienen, und erzählet ihm darauf alle ihre Künste, wie fie das Vieh füttern, die Küh melken, das Feld bestellen, Heu machen und dergleichen mehr verrichten könne. Worauf fie der Sohn mit sich nimmt und sie feinem Vater prüsentiret. Dieser fragt das Mädchen, ob ihr denn fein Sohn gefalle, und sie ihn heirathen wolle? Sie aber nichts von dieser Sache wissend, meinet, man wolle sie vexiren und antwortet: Ei, mau solle fie nur nicht foppen, fein Sohn hätte vor seinen Vater eine Magd verlangt und wenn er fie haben wolle, gedächte sie ihm treu zu dienen und ihr Brod wohl zu erwerben. Da aber der Vater darauf beharret und der Sohn auch sein ernstliches Verlangen nach ihr bezeuget, erkläret sie sich: Wenn es denn Ernst sein sollte, so war sie es gar wohl zufrieden, und fie wolle ihn halten, wie ihr Aug im Kopf. Da nun hierauf der Sohn ihr ein Ehepfand reichet, greifet sie in den Busen und sagt, fie müsse ihm doch auch wohl einen Mahlschatz geben, womit sie ihn: ein Beutelchen überreichet, in welchem sich 200 Stück Ducaten befunden."

Es ist jetzt von den Kennern der Goethe-Literatur anerkannt, daß Goethe in dieser Erzählung die Grundlage für Hermann und Dorothea gefunden hat. Den minder poetischen Zug von den 200 Ducaten hat er freilich weggelassen Sonst aber hat er auch hier seine wunderbare Fähigkeit bewährt, auch die kleinsten Züge zur allgemeinen Weihe zu führen und das Wirkliche wie in: Handumdrehen in die verklärende Sphäre der idealen Kunst zu erheben.

Goethe hat mit dichterischer Freiheit seinen: lieblichen Idyll die welt­bewegenden Stürme der französischen Revolution zum dunkeln, ernsten Hinter­gründe gegeben. Die Aufgabe eines geschichtlichen Aufsatzes dagegen ist, die Ereignisse so darzustellen, wie sie auf ihren: ursprünglichen Boden sich zugetragen haben. Möge dem vorstehenden Versuche gelungen fein, was er beabsichtigte: von der leidens- und lebensvollen Salzburger Emigration ein getreues und lebendiges Bild zu geben und damit zugleich ein deutlich redendes Zeugnis; von der hochherzigen und umsichtigen Kirchenpolitik der Hohenzollern. ,