ME?
Anton Rubinstein.
von
l). Ehrlich.
— Berlin. —
st das gesteigerte und immer sich mehrende Bedürfnis; nach unmittelbarster Aufregung die Ursache der übergroßen Vorliebe für Musik, bei welcher alle anderen Künste vernachlässigt oder doch viel
weniger beachtet bleiben? Oder ist die Tonkunst in der That ein so übermächtiges kulturhistorisches Moment, daß es alle anderen zurückdrängt: hat sie eine derartige ethische Bedeutung, daß ihre Pflege die der anderen Künste entbehren läßt, so zu sagen dieselbe mit in sich einschließt? Diese Fragen drängen sich jedes Mal hervor, wenn man irgend welcher bedeutenden Erscheinung in der Musikwelt Betrachtungen widmen will. Sie hier zu erörtern ist schon deshalb nicht möglich, weil diese Studie glücklicherweise mit einem wirklichen Wesen von Fleisch und Bein zu thun hat, das thatsächlich componirt und Clavier spielt, während jene Fragen ans dein Abstrakten größtentheils wieder in Abstraktes gelangen, und an den Thatsachen kein Jota ändern; jeder bedeutende Künstler leistet nur, wozu ihn seine Anlagen, seine Entwicklung und in letzter Instanz seine Selbsterkenntnis;, nicht sein Wollen, bestimmen; seine Ansichten und Absichten haben hierbei nur insofern Bedeutung, als sie aus den Anlagen und dem Entwicklungsgänge entspringen. Und was der Unbedeutende leistet, ist für Kunst- anschanungen und Prinzipien höchst gleichgiltig; ob er keusche Gesinnungen hegt, oder ob bacchantisches Feuer in seinem Busen lodert, er komponirt und spielt darum nicht besser. Er wird je nach seinen Neigungen, vielleicht auch nach seinen Interessen, dort hypokritisch der Tugend, der Gesetzlichkeit huldigen, oder hier cynisch die Natur des Menschen und deren Befreiung vom Conventionellen mit großer Emphase verkündigen; sein künstlerisches Können wird darob weder dort noch hier gehoben.