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Isidor §ovka in München.
„Versperrung gantz unnützlich/ ja schädlich und unpracktisch werden." Daß von den Räucherungen noch immer ausgiebiger Gebrauch gemacht wurde, ist nicht zu verdenken, es fungirt unter den hierzu verwendeten Kräutern auch der Rauchtabak, ferner abermals der Schwefel, mit welchem die zur Reinigung inficirter Häuser Bestellten ihre Kleider alle Abend stark durchräuchern mußten. (Regenspurgischer Unterricht re. 1714). In welch großartigen Dimensioneil aber diese Ausräucherungen oft vorgenommen wurden, lehren uns „Herrn von „Antrechaus merkwürdige Nachrichten von der Pest in Toulon 1721, übersetzt „von Adolf Freyherrn von Knigge. Hamburg 1794." Aus Andringen der Bevölkerung wurde der Befehl gegeben, „vor jedem Hause Materialien anzu- „häusen, die man in Brand stecken könnte, welches dann Abends um 7 Uhr „geschehen sollte. Nie ist eine Verordnung pünktlicher befolgt worden. Ein „allgemeines Feuer deckte die Stadt während der Nacht mit einem so dicken „Rauche, daß derselbe am folgenden Tage noch nicht einmal zerstreut war." Der Autor fügt noch resignirt hinzu: „Es war ein ganz unnützer Aufwand von Holz und Rauchwerk.
Auch die Anwendung des kalten Wassers als Desinfections-Mittel tritt uns hier schon entgegen; wir lesen in einem Buch, betitelt:
„Kurtzer und bewerther Rath/ wie sich der gemeine Mann und alle „arme Leuthe in Sterbensläussten verhalten sollen re. Heranßgegeben durch „Ezechiel Bautscher, Wienn 1713." „Daß/ wenn man von deß Krancken Beth „das Leinwath oder Leilachen hinweg thnt/ man erstlich solches alsobald in „ein kalt Wasser legen solle/ und nicht/ wie etliche Pflegen zu thnn/ iu warmes/ „denn das kalte solchen Gisst sehr schwächen thut."
Nur noch um zu zeigen, wie naiv die Vorstellung von der Natnr und Wirkung desPestgistes gewesen, führen wir hier aus der „kurzenAnleitung 1713" eine von den Vorsichtsmaßregeln gegen das Eindringen des „Pestgisftes" und die Begründung hiezu an: „und zwar die Nasen belangend: ist selbe mehrere- „theils nwetwoZis, oder fetten Sachen/ als Balsam zu versichern/ damit das „Uebel entweder in der Fette seinen Pestangel abstosse/ und ein- „wickele/ oder in der Nasen das Präservativum länger hafte."
Wir gelangen nunmehr zu dem Jahrhundert, in dem wir selber leben, und welches ja vielleicht noch immer Europa mit einer neuen Pestinvasion bedroht. Haben wir nun irgend welche bedeutende Fortschritte und Neuerungen, in den Präventiv-Maßregeln zu verzeichnen? Wol kaum; wir können höchstens mit Genugthuung anführen, daß wir uns von vielen, zum mindestens überflüssigen, wenn nicht direct nachtheiligen Verordnungen glücklich emancipirt haben. So, um eines zu erwähnen, hat sich der, im verflossenen Jahrhundert erst schüchtern austretende Gedanke, daß die „allgemeine Quarantäne," so wie auch das hermetische Versperren der inficirten Häuser nicht nur keinen Nutzen bringe, sondern sogar ein mächtiges Mittel zur Steigerung der Intensität der Epidemie sein könne, allmälig Bahn gebrochen. Man vermeidet es, durch