Heft 
(1879) 26
Seite
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lieber den gegenwärtigen Stand der p)estfrage. - 229

Einpferchen der Menschen in enge, dumpfe Stuben, die Verhältnisse in diesen so zu gestalten, daß solche Häuser hierdurch erst recht zu wahren Pestherden werden und sucht der Luftverpestung nicht so sehr durch allerhand Räucherungen als vielmehr durch häufige Lufterneuerung, durch Verhinderung, daß sich der Keini anhäuft, entgegenzuarbeiten.

Doch anstatt eine detaillirte Darstellung, Begründung und vielleicht auch Kritik der jetzigen Vorkehrungen zu geben, wollen wir lieber den gegenwärtigen Stand­punkt derJnfectionsfrage darlegen; die nothwendigen Maßregeln der Abwehr ergeben sich dann aus demselben mit strenger Consequenz, da ja die Verhütung von Krankheiten vor Allem von der Natur und Verbreitungsweise desjenigen abhängt, was nur als die Krankheitsursache zu bezeichnen gezwungen sind, und die Pest wol ohne Widerspruch zu den Jnfectionskrankheiten gezählt wird, d. h. jenen Krankheiten, die durch ein von außen in den Körper eindringendes Gift entstehen, das die Fähigkeit hat, sich theils im Körper, theils auch außerhalb desselben in der Umgebung des Menschen zu vermehren, innerhalb des Organismus aber Störungen in dem gestimmten Stoffwechsel hervorzurufen in einer Weise, daß seit langer Zeit an die Analogie mit Gährungserscheinungen gedacht wurde und diese Krankheiteil auch als Gahrungs- oder zymotische Krankheiten bezeichnet wurden. Diese Analogie scheint auch ihre Berechtigung darin zu finden, daß wir, soweit der jetzige Stand naturwissenschaftlicher Forschung es zuläßt, gezwungen sind, als Erreger, als Ursache dieser Erkrankungen Organismen anzusehen die den Gährungserregern eben sehr nahe verwandt sind, auf der niedrigsten Stufe der Organisation überhaupt und an der Grenze des auch mikroskopisch Wahrnehmbaren stehen, die sogenanntenSpaltpilze", die kleinsten jetzt bekannten Organismen, weit kleiner als die vielfach irrthümlicher Weise dafür gehaltenenSonnenstäubchen".

Wol ist der Beweis, daß sie wirklich auch die Ursache der Pest sind, bisher nicht geführt worden; allein der Umstand, daß für einzelne Jnfections­krankheiten dieser Nachweis mit Sicherheit geliefert ist, neben vielen anderen, theoretischen Gründen, führt uns unabweislich zu dieser Annahme, die ja auch Virchow, einem in diesem Punkte vorsichtigen Skeptiker, plausibel erscheint.

Die nächste Frage nun, die sich uns zur Beantwortung aufdrüngt, ist die nach der Verbreitungsart der Jnfectionserreger, oder um direct an den Gegenstand heranzutreten und nach althergebrachten medicinischen Begriffen zu reden, die Frage, ist die Pest contagiös oder ist sie miasmatisch, oder vielleicht gar contagiös-miasmatisch.

Ich glaube wir können auch hierauf selbst ohne die Resultate der vereinigten deutschen und österreichisch-ungarischen Commission abzuwarten antworten, wenn auch vielleicht keine endgiltige Entscheidung treffen, nur wollen wir uns vorher eine kleine Abschweifung erlauben.

Die Ausdrücke Contagium, Miasma entstammen einer alten Zeit, ent­sprechen demnach auch den Anschauungen von damals, ihre Begriffe sind in ihrem ursprünglichen Sinne einander ziemlich entgegengesetzt. Contagiös sollen