23H '- Isidor Loyka in München. -
Wir erinnern uns hiebei unwillkürlich an die analogen Erfahrungen bei Cholera, wo allerdings eine Reihe sorgfältiger Beobachtungen vorliegt, besonders ein reichhaltiges statistisches Material, den Auswandererschifsen entnommen, und wo auch diese Beobachtungen als die kräftigsten Belege für die ektogene Natur des Krankheitskeimes gelten dürfen.
Damit soll jedoch die Möglichkeit von Schiffsepidemien nicht geleugnet werden, wie sie ja auch bei der Cholera in einzelnen Fällen Vorkommen: sie sind aber seltene Ausnahmen, und müssen durch ganz besondere Umstände ermöglicht werden, aus die einzugehen hier nicht der Platz ist.
Ein weiterer, gegen die entogene, contagiöse Natur des Krankheitskeimes sprechender Umstand ist das oft explosionsartige Auftreten, Ausbrechen der Epidemien, wo dann, wie mit einen: Schlage, eine große Menge Menschen, und meist unter heftigen Symptomen, an der Pest erkrankte, was wol damit erklärt werden muß, daß der Keim, welcher eine gewisse Zeit zu seiner Entwickelung und Vermehrung bedarf, diese endlich erreicht hat und nun plötzlich zur Verbreitung gelangt und die Menschen befällt.
Für diese Annahme, daß der Keim eine gewisse Zeit zu seiner specifischeu Entwicklung bedarf, selbst nachdem er eingeschleppt worden, sprechen jene zweifelhaften, und immerhin schon verdächtigen Fälle, die vielfach Epidemien vorauzugeheu pflegen, und die dem vorsichtigen Beobachter schon das Nahen der Epidemie verrathen; es gilt das ganz besonders von großen Städten, wo bei dem immensen Verkehr der Zeitpunkt der Einschleppung nicht immer genau festgestellt werden kann, und ist vielleicht der sensationelle Fall Botkin's und die sich hieran anschließenden sieben andern, die von englischen Journalen registrirt wurden, doch in diese Kategorie zu stellen: nur sei hiebei erwähnt, daß es trotzdem nicht zum Ausbruch einer Epidemie kommen müsse, da die davon abhäugt, ob die Stätte, die örtlichen und zeitlichen Bedingungen der vollständigen und massenhaften Entwicklung des Keimes günstig sind.
Gegen die Theorie des Coutagiums spricht auch noch, wenigstens zum Theile, das sprungweise Weiterschreiten der Epidemie. Bei der Annahme eines entogeuen Krankheitskeimes, der vom Menschen auf den Menschen übertragen wird, müßte die Seuche unmittelbar und ununterbrochen mit dem menschlichen Verkehre weiter schreiten, es läge kein Grund vor, daß eine oder die andere Stadt, welche der Verkehr berührt, verschont bliebe; wir haben gesehen, daß dieser Umstand bereits im 15. Jahrhundert Saladiouo Ferri gerechten Anlaß zu Bedenken gegeben hat.
Wir gelangen nun allmälig bei der Anführung und Würdigung der Thatsacheu in die Kategorie jener, die mehr weniger direct auf den Einfluß der außerhalb des Menschen sich vorfindenden Bedingungen Hinweisen.
Schon durch das verhältnißmäßige Freibleiben der Schiffe wird man zu der Annahme geführt, daß hier die geeignete Localität, die örtlichen Bedingungen fehlen, die zur Entwicklung der Krankheit als Epidemie nothwendig sind. Dasselbe gilt von jenen Fällen, wo die Pest in Städte, Ortschaften