Heft 
(1879) 26
Seite
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Die staatliche und sociale Lntwickelung Japans.

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klnterthanen zu verstehen, sondern nur die Kriegerkaste, die Samurais; das übrige Volk, nämlich die Bauern und Städter, befanden sich, zumal um die damalige Zeit, in einem solchen Zustande Politischer Unfreiheit und gesellschaft­licher Erniedrigung, daß die Fragen des Staatswohls sie ganz unberührt und gleichgültig ließen; sie waren eine willenlose Masse, eher Sklaven als Staats­bürger, ohne Schutz und Recht, und ihre Bestimmung war, wie in den Reichs­grundgesetzen deutlich geschrieben ist, die Samurais zu ernähren. Sie hatten den Kriegern zu begegnen, wie ihren Herren; die geringste Unhöslichkeit jenen gegenüber wurde auf der Stelle mit blankem Schwerte gerächt; alles dasjenige, was als jenen eigenthümlich galt, war ihnen verboten, z. B. das Reiten zu Pferde, Geleitung von mehreren Dienern auf Reisen u. s. w., die Bauart der Häuser, Schnitt und Stofs der Kleidung, die Art ihrer Vergnügungen, kurz ihr Verhalten bis in die kleinsten Details des häuslichen Lebens war ihnen vorgeschrieben. Der Bauer, der von Morgens früh bis in die späte Nacht hinein angestrengt arbeiten mußte, und von seinem Ertrag nur soviel behielt, als zu seiner Nothdnrst erforderlich war, befand sich in der denkbar möglichen geistigen Verkommenheit. Ter Bürger oder Städter war meistens Kaufmann und als solcher von der regierenden Klasse noch mehr verachtet als der Bauer; regelmäßige Abgaben an den Staat hatte er zwar nicht zu entrichten, dahingegen aber war er fortwährend den Erpressungen der Beamten ausgesetzt, und derjenige, welcher Vermögen besaß, wagte nicht, es zu genießen, aus Furcht die Habgier der Höheren zu erregen. Der Bauer bewahrte sich, trotz der Last seiner Arbeit, in der frischen freien Lust, inmitten seiner Aecker und Reisfelder, eine gewisse Unabhängigkeit des Sinnes, er wurde mit Schonung ausgesogen: denn wie stark auch das Gefühl seiner Unterthänigkeit war, zu harte Maßregeln, besonders wenn sie vom Herkommen abwichen, machten ihn störrig und aufsässig. Der Bürger aber ließ sich alles gefallen, er blieb feige, auch wenn es ihm an's Leben ging. Seine geistige Bildung war in der Regel nicht viel größer als die des Bauern; von Lesen und Schreiben verstand er gerade soviel als für sein Geschäft unumgänglich noth- wendig war. Die Handwerker dagegen, welche neben den Bauern und Kauf­leuten als ein besonderer Stand galten, besonders aber die Kunsthandwerker, als Schwertfeger, Bronze- und Porzellan-Arbeiter, Maler u. s. w. hatten eine gewisse geistige Regsamkeit sich bewahrt; sie übten ihren Geschmack in den Wissenschaften, und genossen die besondere Achtung der Samurais.

Die Samurais oder Arieger.

Auf den Samurais beruhte der Bestand des Staates; im Ganzen etwa achthundertausend an Zahl, während die des ganzen Volkes über dreißig Millionen betrug, waren sie die Herren; fast die Hälfte des Gesammtwerthes der Bodenproduction fiel ihnen als Revenue zu. Ihr Stand und ihre Ein­künfte waren erblich, mochte der Erbe fähig sein, dem Staate Dienste zu

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