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Asiaticus.
Gefühle der Unzufriedenheit und des Hasses gegen das Bestehende sind, zu gemeinsamer Opposition können sie sich nicht vereinigen. Die Unfähigkeit, zum Besten eines gemeinsamen höheren Zweckes die Stammes-Eifersüchteleien zu opfern, scheint allen asiatischen Völkern gemein und der Grund ihrer
Unterwerfung entweder unter das Ausland oder unter eine despotische Regierung zu sein. In Japan hat diese unpolitische Anlage des Volkes es einer ver- hältnißmäßig kleinen Partei möglich gemacht, achthunderttausend Samurais niederzuhalten.
Die Geschichte der letzten Jahre liefert die Beispiele: der Norden hat nie gewagt, sich zu erheben, weil er wohl wußte, daß dann der ganze Süden, wie ein Mann, über ihn herfallen würde. Im Süden brach zuerst der
Aufstand in Choshu aus, 1876; so lange er währte, rührte sich keine Hand; kaum aber lagen die Rebellen zu Boden, da erhob sich das benachbarte Hizen. Ebenso ging es mit dem Satzuma-Anfstande 1877. Allenthalben in den benachbarten Provinzen war die Gährung so stark, daß man jeden Augenblick den Hellen Ausbruch der Rebellion erwarten mußte, es bedurfte nur der
Unterstützung eines Landes wie Tosa und der ganze Süden wäre der Regierung verloren gegangen. Aber Niemand schloß sich an; Satzuma hatte allein, ohne ein Bündniß zu suchen, den Kampf begonnen, jetzt mochte es auch sehen, wie es allein fertig würde. Seitdem Satzuma vernichtet worden, hat Tosa angefangen, heimlich Waffen zu kaufen und sich zu rüsten, und die Aufregung in dieser Provinz ist so auf's Aeußerste gestiegen, daß die Regierung fortwährend auf ihrer Hut sein muß.
Der niedere Adel, die Shisoku oder Samurais.
Was im Allgemeinen die Lage der Samurais anbetrifft, so ist dieselbe allerdings eine recht traurige und die Unzufriedenheit dieser Leute daher nur zu berechtigt. Vor allen Dingen hätten ihnen, wie auch ihren Fürsten, in dem neuen Staatswesen eine bevorzugte Stellung und ein Anthcil an der Regierung gewahrt bleiben müssen. Man hätte die alten Fürstenthümer als administrative Bezirke bestehen lassen, die Beamtenstellen mit einheimischen Samurais besetzen und den übrigen durch Schaffung von Provinziallandtagen oder Gemeindevorständen einen Antheil an der Regierung gewähren sollen; auch wäre es nicht unmöglich gewesen, ihre Existenz sicher zu stellen, indem man einen Theil mit Grundbesitz dotirt hätte. Anstatt dessen hat man die Fürstenthümer als administrative Einheiten aufgelöst und zu großen Regierungsbezirken vereinigt, die Samurais in dem Lande, wo sie früher die Herren waren, auf gleiche Stufe mit den Bauern, ihren ehemaligen Untergebener: gestellt, ja noch unter diese herabgesetzt, indem man durch Schaffung von Bezirkstagen, für welche das active und passive Wahlrecht von der Entrichtung einer gewissen Grundsteuer abhängig gemacht ist, den Bauern wenigstens einen gewissen Antheil an der inneren Verwaltung zugcstanden hat. Tie