Heft 
(1879) 26
Seite
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Awei Fragen, die nicht brennen.

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nicht meine Absicht sein kann, dieselben hier erschöpfend zu behandeln; ich bezwecke vielmehr nur zu beweisen, daß keiner der beiden Gegenstände spruch­reif, und daß eine sofortige Erledigung nicht rathsam ist, »veil man sicherlich falsch entscheiden wird.

Es ist seit Jahren viel Vages über die Mißstände in: Eisenbahnwesen gesprochen, und es ist ohne jede Begründung nnd überhaupt ohne Andeutung der innezuhaltenden Richtung angenommen worden, daß unser Eisenbahn­system mangelhaft und das Tarifwesen reformbedürftig ist. Von diesen Prämissen aus glaubt man eine Heilung aller Uebel allein in der Verstaat­lichung der Eisenbahnen und in einheitlichen Fracht-Tarifen zu finden.

Die Geschichte der preußischen Eisenbahnen, namentlich bezüglich der Rolle, welche der Staat dabei gespielt hat, ist noch zu schreiben, und es ist nicht unmöglich, daß ich das von mir gesammelte Material dazu benützen werde, um die hier schwach angedeuteteu Umrisse in klare lebende Bilder zu verwandeln.

Es genügt für meinen heutigen Zweck, zu behaupten, daß unser Privat- Pnblicum sich zwar in Momenten, wo Eisenbahn-Unternehmungen populär waren, als Actionaire dabei betheiligt, daß sich dasselbe aber niemals ernstlich für die bei Eisenbahnen in Betracht kommenden practischen Fragen interessirt hat und daher auch kein Verständnis; für die Sache besitzt.

Das Resultat ist, wie zu erwarten stand was die private Thätigkeit betrifft daß man bei uns sowohl im Thun als auch im Lassen Zeit, Maas; und Richtung verfehlt hat, und daß, während der Staat allein unserer Eisenbahnpolitik ihre Richtung und unseren; Eisenbahngesetz nnd Wesen seine Gestaltung gab, der Staat allein in der Lage war, vom Anfang an ein klares Ziel zu verfolgen.

Ob dieses Ziel ein vorn höheren Gesichtspunkte aus erlaubtes, richtiges nnd würdiges war, lasse ich vorläufig dahingestellt; dieses Ziel ist aber stets beharrlich verfolgt, und wenn auch äußerem Zwange folgend, es scheinbar von Zeit zu Zeit unterbrechend, hat doch die Regierung aus diesen Unterbrechungen stets materielle Vortheile auf Kosten des Privat-Publicums zu ziehen gewußt.

Der Staat erstrebte bei uns fast von Anfang an womöglich den Besitz und die Verwaltung- jedenfalls aber die gänzliche Beherrschung unserer Eisenbahnen. Die Gesetze und Verordnungen sind dazu angethau, willkürlich mit dem Privateigenthum der Actionaire schalten und walten zu können.

Die Concessionirung und Controle ruht in Händen Derer, die als Verwalter von Staatseisenbabnen eigentlich Concurrenten der Privatbahuen sind, und eine enge und falsch verstandene Auffassung der Staatsinteressen veranlaßt die Behörden, das Aufsichtsrecht des Staates nicht nur dazu zu benutzen, um den Besitz von Privatbahnen an sich zu ziehen, sondern Dieses auch zu gleicher Zeit unter mehr als günstigen Bedingungen zu erreichen.

Niemand wird es der Regierung zumuthen, bei Uebernahme von Privat­buhnen mehr als deren Werth zu zahlen; ganz anders liegt aber die Sache, wenn sich behaupten und beweisen läßt, daß der Staat durch seinen Besitz