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B. U. Strausberg in Berlin.
es aber dem öffentlichen Interesse dienen, wenn die Bahnen nicht eben gänzlich in Staatshänden sind, gegen parallele oder vermehrte Verkehrswege zu sein.
Es kann dieses allerdings die Rentabilität der Bahnen beeinträchtigen und hierin liegt allein schon auf die Dauer die Beschränkung, welche wüuschens- werth ist. Das Publicum kann immer nur durch den Kampf zwischen concurrirenden Bahnen gewinnen, und im Staatsinteresse liegt cs, Bestimmungen zu treffen, daß die Verkehrsinteressen nicht gefährdet werden durch Combinationen oder Betriebs-Vereinigungen concurrirender Linien.
Im Vorhergehenden glaube ich genügend angedeutet zu haben, daß der Gegenstand der Eisenbahn-Reform nicht entsprechend ventilirt worden ist, und daß es daher für das allgemeine Wohl schädlich sein würde, wenn man setzt schon sich für eine Verstaatlichung der Eisenbahnen oder für eine Unificirung der Tarife entscheiden wollte. Ich habe diesen Gegenstand überhaupt hier nur deshalb angeregt, weil er in intimen Beziehungen steht zu den Gründen, die auf einigen der wichtigeren Gebiete für Schutzzölle angeführt werden. Zum Beispiel unsere Eisenindustrie weist mit Recht darauf hin, daß bei uns Eisenerz und Kohle in verschiedenen Gegenden Vorkommen, und daß die Productions-Centren vom Meere entfernt liegen; es würde indessen schwer fallen, ganz abgesehen von der Rathsamkeit oder Durchführbarkeit der Sache, sich eine Zolltarif-Erhöhung zu denken, durch welche auch nur annährend soviel zur Verbesserung der Eisenindustrie wie durch eine Reduction der Frachten für Kohlen, Erz und Eisen geschehen könnte.
Selbst wenn man berechtigt wäre, unsere Zolltarifsrage von dein Standpunkte des Schutzes für unsere Industrie zu behandeln, so würde, um das Maaß des erforderlichen Schutzes zu finden, die Frage, in wie weit durch Ermäßigung der Frachttarife Abhülse geschaffen ist, vorausgeheu müssen, und es ist daher selbst von diesen! Gesichtspunkte aus der Moment für eine Zolltarif- Revision nicht gekommen. Die Zolltarifangelegenheit ist jedoch in einer ganz anderen Form an das Publicum gelangt. Sie erscheint wie das Bild des Janus mit zwei Gesichtern: einmal als Revenue-Bedürfniß und auf der anderen Seite als Schutzengel für alle Zweige der öffentlichen Thätigkeit, und in dieser Doppelerscheinung liegt eben die Gefahr, daß das Publicum resp. die Kammern, was den vorliegenden Tarif betrifft, zu Schlüssen gelangen, welche die Wünsche des Publicums nicht befriedigen werden.
Ohne in die Geheimnisse der Regierung eingeweiht zu sein, bin ich indessen der Ueberzeugung, daß die Unklarheit nur auf Seiten des Publicums liegt. Man möge dem Fürsten Bismarck mit Recht oder Unrecht Unkenntniß der realen Verhältnisse, Dilettantismus, Aenderung seiner Ueberzeugung und was noch vorwerfen, man würde sich aber irren, wenn man glaubte, daß Fürst Bismarck nicht ganz specielle Zwecke im Auge hat; denn es ist eben ein Hauptcharakterzug dieses großen Mannes, daß er klare Ziele verfolgt und zur Erreichung derselben sowohl Parteien, wie auch Fragen zu benutzen weiß. Es liegt das in unseren Zuständen, in seiner exceptionellen Stellung,