Heft 
(1879) 26
Seite
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Zwei Fragen, die nicht brennen.

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Jedem, der sich die Mühe gegeben hat, die Verhältnisse der großen Masse der Bevölkerung zu beurtheilen, bekannt sein muß: daß der Arbeiter, der kleine Geschäftsmann, der Beamte, ja, die große Zahl derjenigen, die Stenern zahlen, in Verhältnissen leben, die es ihnen schwierig machen, irgend eine Summe für Steuern zu ersparen. Das Gros der Bevölkerung hat eben immer kaum genügend fiir seine Bedürfnisse> es lebt von Hand zu Munde und es fällt ihm schwer, die für directe Steuern erforderliche Summe zu ersparen, anfznbewahren und mit einem Male zu bezahlen. Es erscheint bei uns sowohl der Staats- wie Gemeinde-Fiscus stets in dem Einziehen directer Steuern einer großen Zahl der Bevölkerung gegenüber als eine unliebsame, verhaßte Institution. Viele Familien werden täglich in ihrer Häuslichkeit dem Untergange gewidmet durch die rücksichtslose Execntion der Steuer­einnehmer. Diejenigen, die im Wohlstand leben, haben wenig Begriff von den Trauerspielen, die täglich anfgeführt werden, und doch liegt hier vielleicht die Hauptquelle der Unzufriedenheit, der Grund, warum namentlich in großen Städten der Socialismus und andere demagogische Theorieen bei einer großen Zahl der Bevölkerung so leicht Zugang finden.

Wollte man durch Gesetzgebung die große Zahl der Bevölkerung von diesen Steuern befreien, ohne den Ersatz auf indirektem Gebiete zu finden, so würde das wirklich bestehende realisirbare Vermögen nahezu confiscirt werden müssen. Mit einer solchen Consiscation wäre aber dem Arbeiter, dem Gros der Bevölkerung eben so wenig gedient, denn es würde eben dann Eultur, Handel und Gewerbe untergehen und die Gesellschaft in ihren Elementen zersetzt werden.

Die Haupteinnahmen des Staates müssen nothwendiger Weise überall nicht von den einzelnen Reichen, sondern von der großen Menge genommen werden, und so bleibt nur die Frage, wo dies sicherer, leichterer und ersprieß­licher ist, auf dem directen oder indirekten Gebiet? Und hier wird sich Jeder sagen, daß es leichter ist, ein Glas Bier weniger zu trinken, den Thee etwas schwacher zu machen, den Kaffee etwas weniger zu süßen, den Brannt­wein etwas weniger sprithaltig zu ertragen, als sich Geld anfzusparen, um am Ende des Quartals eine verhältnißmäßig bedeutende Summe dem Steuereinnehmer zu zahlen.

Es ist durch indirecte Steuern dem Gros der Bevölkerung, das doch Steuern zahlen muß, und dem Staate, der Interesse daran hat, der Menge so wenig lästig zu werden als möglich, mehr gedient, als durch directe Besteuerung. Der Staat muß indessen unter allen Verhältnissen ans gewisse Einnahmen rechnen können, und da die Einnahmen aus indirekten Steuern großen Fluktuationen unterworfen und weniger ergiebig sind, wenn Handel und Verkehr stockt und die allgemeine Prosperität leidet, so muß ein Theil der Einnahmen auf directer Basis beruhen. Hier liegt es aber im Interesse des Staates, diese Steuern so niedrig als möglich zu normiren, damit, die Veranlagungen im Rahmen vorhanden seiend, eine Erhöhung der Steuer, die