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Lernen in den Klassen 5 und 6 : Werkstattheft / [Universität Potsdam. Hrsg.: Direktorium des Instituts für Grundschulpädagogik]. Wiss. Red.: Barbara Wegner
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Probleme im Bereich der Schulleistung und der Anpassungsbereitschaft an Verhaltensnormen in Schule und Elternhaus, die zuvor fraglos akzeptiert worden waren. Die kognitive Entwicklung im Bereich des Denkens zeich­net sich dadurch aus, daß zum konkreten Denken, das ganz an die Erfah­rung gebunden ist, die Fähigkeit hinzu kommt, formale Denkoperationen in größerem Umfang zu vollziehen. Das abstrakt-logische Denken wird zum dominanten Denkniveau. Das bringt es mit sich, daß die Schüler/ in­nen eine hohe Kritikbereitschaft, aber auch Kritikfähigkeit zeigen, häufig und ausgiebig sich selbst und die Bedeutung der eigenen Person für andere reflektieren, erhöhte Risikobereitschaft demonstrieren, in der Sprachent­wicklung(Wortschatz, Satzbau, Gebrauch der Zeiten, Stil,..) neue Quali­täten aufweisen. Lehrer/innen können viel über Veränderungen in Schrift und Heftführung sowie über Bekleidung, gesamte Erscheinung, Interessen und Neigungen, Art des Umgangs untereinander- bis hin zum Ausdruck berichten.

Auch die Beziehungen zum anderen Geschlecht nehmen allmählich neue Formen an. Häufig tragen sie die Merkmale des Ausprobierens, des Vor­läufigen, des Vorübergehenden. Das gilt sowohl für die psychischen Be­ziehungen(Schwärmereien, Flirten) oder tiefergehende Freundschafts­beziehungen als auch für die ersten heterosexuellen Kontakte und Be­ziehungen. Schließlich zeigt sich eine neue Qualität auch im Bereich der geistigen Auseinandersetzung, insbesondere mit ethischen, politischen und weltanschaulich-religiösen Vorstellungen und Wertmaßstäben. Die Schü­ler/innen übernehmen nicht mehr wie noch in unteren Klassenstufen ver­hältnismäßig unkritisch entsprechende Vorstellungen und Ideale, die Leh­rer/innen, Eltern oder andere Erwachsene übermitteln möchten. Sie versu­chen vielmehr, sich bewußt von diesen Einflüssen zu lösen, suchen nach eigenen Standpunkten. Ganz wichtig ist es für sie, Freunde zu haben und von Gleichaltrigen akzeptiert zu werden.

Diese kurz skizzierte Situation der 10-12-jährigen Schüler/innen führt zu einer Statusungewißheit und Rollenunsicherheit, die viele der im enge­ren Sinne alsPubertätsprobleme* bezeichneten Erscheinungen erklären.

Ein unangemessenes oder falsches Verhalten der Eltern und/oder Leh­rer/innen kann die bestehende Rollenunsicherheit verstärken und zu Kon­flikten und Störungen in der weiteren Entwicklung führen. Das gilt sowohl für eine Unterschätzung der Bedürfnisse, Wünsche und Leistungsmöglich­keiten der Schüler/innen als auch für eine Überforderung. Die Entwicklung der Persönlichkeit in verschiedensten Bereichen vollzieht sich unter ande­rem durch die Bewältigung der umfangreicher, spezifischer und kompli­zierter werdenden Anforderungen der Lerntätigkeit. Die Schüler/innen ge­winnen aufgrund der stetigen inhaltlichen Vertiefung und Auffächerung

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