Nicht selten hat man sich sogar noch in den Vorstellungen und Konzepten der Parteien und Kultusbehörden zum‘Umbau’ des Schulwesens in den neuen Bundesländern auf diese berufen.
Politisch konservative Kreise und Parteien sowie Vertreter der Kirchen und insbesondere Berufsverbände der Gymnasiallehrer verteidigten nachdrücklich die vierjährige Grundschule aus der Weimarer Zeit, indem sie mit dem traditionellen Leistungsvermögen des deutschen Schulwesens argumentierten. Außerdem wurde der sechsjährigen Grundschule ein ‘Bremseffekt’ zugeschrieben, den diese Schulform angeblich auf die‘begabteren’ bzw. leistungsfähigeren Schüler/-innen ausübe.
Dagegen argumentierten andere gesellschaftsrelevante Gruppen wie große Teile der Volksschullehrerschaften, Vertreter der Gewerkschaften und linkspolitische Kreise und Parteien für die Verlängerung der Grundschulzeit um zwei auf sechs Jahre, wobei sie auf die sozialintegrative Wirkung dieser Schule und die Notwendigkeit einer Objektivierung der Übergangsauslese zu den weiterführenden Schulformen verwiesen. Während die Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg sowie das Land SchleswigHolstein die sechsjährige Grundschule 1948/49 einrichteten, Berlin sich sogar zunächst auf eine achtjährige Grundschulzeit festlegte, ließen sich alle weiteren Bundesländer nicht von den westlichen Besatzungsmächten eine über vier Jahre hinausgehende Grundschule‘vorschreiben’. Allerdings widerrief ein Teil der Länder mit sechsjähriger Grundschule später seine Entscheidung bzw. nahm die Reform schrittweise zurück, da sich u.a. die Uneinheitlichkeit im Schulwesen als ein ernsthaftes Hindernis für die Bevölkerungsmobilität erwies.
Deshalb ist es durchaus verständlich, wenn in der Folgezeit der Ruf nach einer stärkeren Vereinheitlichung des allgemeinbildenden Schulwesens immer unüberhörbarer wurde, während die Frage nach der Dauer der Grundschule an Wichtigkeit verlor. Die bildungspolitische Diskussion in den 50er Jahren war von der pädagogischen Einsicht geleitet,“daß die Frage nach der Dauer der Grundschule unlösbar ist von der Grundfrage nach der Zweckmäßigkeit des dreigliedrigen Schulsystems überhaupt und von den Problemen der inneren Gestaltung der Schuljahre 5 und 6 in bezug auf Lernziele, Selektionsmaßnahmen, Förderung und Differenzierung.
Die zunächst isoliert gestellte Frage nach der Dauer der Grundschule erhielt dadurch eine völlig neue Richtung, zumal die strukturelle, funktionale und inhaltliche Ausgestaltung der Schuljahre 5 und 6 von nun an im Kontext der Bewährung des gesamten Schulwesens problematisiert wurde.
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