Teil eines Werkes 
Bd. 1 (1911) J. J. Rousseau
Entstehung
Seite
XX
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Vorwort zur neuen Ausgabe.

Es sind doch alles so nette Leute; aber sie haben einen Fehler, sie haben zu viel zu thun, sie müssen früh und abends Zeitungen lesen, sie müssen die actuelle Literatur verfolgen, sie müssen in viele Vor­träge, in Theater und Concert gehen, sie müssen die edle Geselligkeit im trauten Heim und in der trauten Kneipe pflegen, von allen den wichtigenwirklichen Geschäften ganz zu schweigen. Und Rousseau ist so alt, schon über 100 Jahre todt wir aber leben in der Jetzizeit und können uns unmöglich um alle alten Geschichten kümmern.

Scherz bei Seite! Es ist eine Schande, dass sich unsereGebildeten nicht mehr für Rousseau inter­essiren. Rousseau ist nicht nur einer der grössten Schriftsteller aller Zeiten, nicht nur einer der wich­tigstenMacher der grossen Revolution, nicht nur ein Lehrer, dem die Staatswissenschaften, die Päda­gogik, die Botanik sehr viel verdanken, sondern er ist auch im deutschen Geistesleben eine unvergessliche Macht gewesen. Ohne RousseausJulia hätten wir Werthers Leiden nicht, ohne Rousseau wäre Kant nicht der, der er ist; Ströme lebendigen Wassers sind von ihm ausgegangen und von ihnen haben alle Die getrunken, denen wir den Aufschwung der deutschen Literatur verdanken. Einen solchen Mann schiebt man nicht bei Seite, er muss unserm Herzen immer theuer sein. Dass er französisch geschrieben hat, ist ganz gleichgiltig, denn die nationale Beschränktheit ver­