Teil eines Werkes 
Bd. 1 (1911) J. J. Rousseau
Entstehung
Seite
97
Einzelbild herunterladen

97

Die Herzogin von Luxemburg.

wohl oder übel folgen musste. Die mit Widerstreben eingegangene Verbindung wurde rasch eng. Rousseau gerieth in Feuer und gab sich seiner Neigung mit der ihm eigenen Ueberschwänglichkeit hin. Es ist wohl nicht zu bezweifeln, dass auch auf der anderen Seite eine aufrichtige Zuneigung bestand. Der Marschall war ein älterer Herr von grosser Herzensgüte und etwas nachgiebigem Charakter. Zu ihm fühlte sich Rousseau besonders hingezogen, und trotz der Verschiedenheit der gesellschaftlichen Stellung entwickelte sich zwischen Beiden ein wahrhaft freundschaftliches Verhältniss, das erst durch den Tod des Marschalls gelöst worden ist. Rousseau spricht auch in späterer Zeit von dem vor­nehmen Freunde stets mit dankbarer Verehrung und mit unbedingtem Vertrauen. Die Frau Herzogin war eine ausserordentlich gewandte und geistreiche Dame, ihr Ruf aber war nichts weniger als gut. Man sagte ihr nach, dass sie in jungen Jahren ein geradezu aus­schweifendes Leben geführt habe, und fürchtete später ihre scharfe Zunge. Da sie Rousseau mit der vollen­deten Liebenswürdigkeit einer grossen Dame entgegen­kam, gewann auch sie sein Herz. Verschiedene That­sachen, die Rousseau mittheilt, ebenso wie die erhaltenen Briefe lassen es als wahrscheinlich erscheinen, dass die Freundlichkeit, ja Zärtlichkeit, die die Herzogin Rousseau bewies, in der Hauptsache aufrichtig war. Freilich mochte der Dame von vornherein der Verkehr mit dem berühmten Schriftsteller vor Allem ein Zeit­vertreib sein; sie liess sich seine neuen Werke vorlesen und fühlte sich durch den Umgang mit einem Manne,

Möbius, Rousseau. 7