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Die wahnhafte Deutung der Verfolgung.
ten Aeusserungen hatten. Frau von Boufflers, die dem Prinzen Conti, dem Bewohner des Temple, angehörte, wird als die zuerst Handelnde angesehen. Frau von Luxemburg bestimmte dann Rousseau, ihr die Handschrift des Emil zu übergeben, und liess das Buch in Frankreich drucken. Schon während des Druckes wurden Auszüge aus dem Buche gemacht, auf Grund deren sofort nach dem Erscheinen die Verurtheilung des Verfassers erfolgen konnte. Schliesslich trat Choiseul ein und lieh den Verschwörern seine Macht. Der Zweck des Ganzen aber war nicht sowohl, Rousseau in einen Process zu verwickeln, als ihn aus Frankreich zu verscheuchen, ihn heimathlos zu machen und dann den Ruf des Abwesenden unwiderruflich zu zerstören. Wenn man das so liest und bedenkt, dass im Jahre 1770 Rousseau zweifellos von Verfolgungsvorstellungen beherrscht war, wird man ohne Weiteres in Rousseau’s Darstellung ein Wahngebilde erblicken. Ich glaube auch, dass sie ein solches ist. Die Feindseligkeit d’Alembert’s reicht kaum soweit zurück. Die der Damen Boufflers und Luxemburg ist überhaupt durch nichts bewiesen. Der edie Malesherbes würde sich nicht nur schwach, sondern dumm oder schlecht gezeigt haben. Ganz besonders ist die Annahme eines fein angelegten und ge-| meinsam befolgten Planes von vornherein unwahrscheinlich. Das Wenigste in der Menschen-Welt geschieht planmässig, und wenn jene vornehmen Leute mit ihrem umständlichen Verfahren nichts weiter beabsichtigt hätten, als Rousseau zu entfernen, so wären ihnen bequemere Mittel zur Hand gewesen. Es ist viel