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Der erste Brief.
als ein treuer Diener der Gerechtigkeit für seinen König auf dem Schaffot gestorben. Mit Rousseau hatte ihn sein Amt als Aufseher über das Bücherwesen schon vor dem Drucke des Emil in Berührung gebracht, und immer hatte er sich Rousseau überaus wohlwollend bewiesen. Er war dem Fortschritte zugeneigt und schätzte den Schriftsteller Rousseau ausserordentlich hoch. Rousseau brachte ihm eine dankbare Verehrung entgegen, und der freundschaftliche Verkehr zwischen beiden Männern hat bis zu den letzten Jahren Rousseau’s angedauert. Es ist bezeichnend, dass Rousseau zu einer Zeit, als ihm fast alle seine früheren Gönner verdächtig geworden waren, nie das geringste Misstrauen gegen Herrn von Malesherbes hegte. Die Rolle, die dieser bei dem Drucke des Emil gespielt hat, konnte in der That zu Zweifeln Anlass geben, aber Rousseau begnügte sich später zu sagen, Herr von Malesherbes sei ebenso schwach wie redlich gewesen, der Theilnahme am Complot hielt er ihn nie für fähig.
Erster Brief.
Montmorency, am 4. Januar 1762.
Ich würde, mein Herr, den letzten Brief, mit dem Sie mich beehrten, eher beantwortet haben, wenn mein Eifer, zu antworten, der Freude, die mir Ihr Brief gemacht hat, entsprochen hätte. Aber abgesehen davon, dass es mir schwer fällt, zu schreiben, habe ich geglaubt, den Verdriesslichkeiten dieser Tage Zeit lassen