Der erste Brief.
er eine andere Ursache habe, und dass die Freuden dieser Welt für mich nicht gemacht seien.
Was war denn nun endlich die Ursache? Nichts anderes, als jener unbezähmbare Geist der Freiheit, den nichts besiegen gekonnt hat, und vor dem mir Ansehen, Vermögen und selbst der Ruf nichts gewesen sind. Sicherlich hat dieser Geist der Freiheit nicht sowohl in meinem Stolze als in meiner Trägheit seinen Ursprung. Aber diese Trägheit ist unglaublich gross. Alles erschreckt sie. Die kleinsten Pflichten des bürgerlichen Lebens sind ihr unerträglich. Ein Wort zu sprechen, einen Brief zu schreiben, einen Besuch zu machen, das alles ist, sobald ich muss, eine Strafe für mich. Deshalb ist, obgleich der gewöhnliche Umgang mit den Leuten mir verhasst ist, die innige Freundschaft mir so theuer, weil es für sie keine Pflichten giebt: Man folgt dem Zuge des Herzens und alles ist gethan. Deshalb auch habe ich mich von jeher so sehr vor Wohlthaten gefürchtet. Denn jede Wohlthat fordert Erkenntlichkeit, ich aber weiss, dass ich undankbar bin, nur deshalb, weil die Erkenntlichkeit eine Pflicht ist. Mit einem Worte, das Glück, dessen ich bedarf, besteht nicht sowohl darin, dass ich thun kann, was ich will, als darin, dass ich nicht zu thun brauche, was ich nicht will. Das thätige Leben hat für mich keinen Reiz, und hundertmal lieber würde ich einwilligen, niemals etwas zu thun, als etwas wider Willen zu thun. Hundertmal habe ich mir gedacht, dass ich in der Bastille gar nicht allzu unglücklich sein würde, wenn weiter nichts verlangt würde, als einfach da zu bleiben.
Möbius, Rousseau.