Teil eines Werkes 
Bd. 1 (1911) J. J. Rousseau
Entstehung
Seite
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Der dritte Brief.

weilen in Mitten alles diesen die Nichtigkeit meiner Traumgebilde mich plötzlich traurig machte. Wenn alle meine Träume Wirklichkeit geworden wären, es hätte mir nicht genügt. Ich hätte weiter geformt, geträumt, gewünscht. Ich fand in mir eine unerklärliche Leere, die nichts hätte ausfüllen können, ein gewisses Drängen des Herzens nach einer anderen Art des Genusses, von der ich keine Vorstellung hatte und nach der ich doch verlangte. Nun wohl, mein Herr, dies selbst war Genuss, denn ein lebhaftes Empfinden erfüllte mich und eine süsse Wehmuth, die ich nicht hätte entbehren mögen.

Bald erhob sich mein Denken vom Boden der Erde zu allen Wesen der Natur, zu. dem allgemeinen Zu­sammenhange der Dinge, zu dem unbegreiflichen Wesen, in dem alles ist. Dann verlor sich mein Geist in dieser Unendlichkeit, ich dachte nicht, ich vernünf­telte nicht, ich philosophirte nicht, aber ich fühlte mich mit einer Art von Wollust niedergedrückt durch die Wucht des All-Einen, ich liess mich hinreissen in dem Drange dieser grossen Gedanken, mit Vergnügen sah ich mich im weiten Raum verschwinden, mein Herz wollte die natürlichen Fesseln sprengen, mein Wesen verrann in der Unendlichkeit, ich hätte mich ins Un­begrenzte aufschwingen mögen. Wenn ich alle Ge­heimnisse der Natur entschleiert hätte, so wäre ich sicherlich weniger glücklich gewesen, als ich es in jener betäubenden Ekstase war, der mein Geist sich ohne Rückhalt hingab, und in der ich, durch das stür­mische Gefühl überwältigt, wiederholt ausrief: o grosses

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