Vorwort.
In der öffentlichen Bibliothek einer großen Stadt gehen oft gar ſeltſame Koſtgänger aus und ein, und Anregung zu intereſſanten pſychologiſchen Studien iſt in Fülle gegeben. Vor etwa ſieben Jahren fiel mir während meiner Dienſtſtunden in der k. k. Hofbibliothef in Wien ein junger Mann auf, der regelmäßig um neun Uhr erſchien und um elf Uhr ſich entfernte. Er fiel mir auf, ebenſo durch ſeine äußere Erſcheinung, als durch das Werk, welches er unabläſſig las, und in das er ſich, Alles um ſich her vergeſſend, mit ſtillem Entzücken verſenkte.
Er mochte etwas über zwanzig Jahre alt ſein, ärmlich gekleidet, unanſehnlich, ſchwarze Haare, die verwildert herumhingen, eine mächtige Stirne, die den Phantaſten oder Denker andeutete, funkelnde Augen und um den Mund einen Zug: halb kindliche Naivetät, halb eigenſinnigſter Trotz.
Er las unausgeſetzt in den Werken des berühmten Myſtikers Jacob Böhme . Wie oft beobachtete ich ihn von meinem Platze aus, wie er mit andächtiger Vertiefung Blatt um Blatt überflog, entzückt, als wäre ihm ein neues Licht über das Lebensräthſel aufgegangen, an die Decke blickte, um ſich dann wieder in ſeligem Selbſtvergeſſen in den myſtiſchen Born