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zu ſehen!“ Dabei hatten noch die Knaben ihr muthwilliges Spiel, denn damit fie ſich täuſche, warfen fie ihr jedesmal einen andern Geſpielen zu und ſie ergriff ihn mit haſtiger Luſt. Das geſchah mit jedem Tage. Ihr ſehnſüchtiges Beſtreben, mich zu herzen und zu umarmen, ſchlug immer fehl. So ließ ſie ſich denn zum Behelfer führen und bezahlte ihn eigens dafür, daß er mir meine Unarten zurechtweiſe, daß er mir einſchärfe, daß nur ſie meine Mutter ſei. Ach, was half mir das Einſchärfen? Mir fehlte die Ueberzeugung, die erſt päter durch mächtige Ereigniſſe in mir geweckt werden konnte. Jetzt aber klagte ich noch vor Samuel, das mich der Behelfer wegen meines Ungehorſams gegen„Gütele“ beſtrafte. Freilich verbot es Samuel dem Behelfer, der Behelfer aber erzählte es der Mutter, und die Mutter haderte darum mit Samuel. Alſo ſchrie er ſie an mit barſch ertönenden Worten:„Zahlſt du mir was für ihn, blinde Kuh! Ein Kalb haſt du geboren, und ich bildete daraus einen Menſchen. Wer hat ihn vom Tode errettet, wenn nicht ich, der ich dreimal unter dem Waſſer ſchier um meinen Athem gekommen?“ Gütele aber erwiderte mit bang klagender Stimme:„Er iſt ja mein Kind, mein letztes, einziges, von zwölf unglücklich Geborenen! Ach, ihr entwöhnt ihn ja ganz meinem Herzen, Euch ruft er Vater, Mutter Euer Weib,— mich nennt er nur mit Namen, wie man eine Fremde nennt, ſpottet mein und flieht mich. Ein Mädchen muß ich bezahlen, daß es mich führe von Ort zu Ort, und mein eigenes Kind kann mir weder Stütze, noch Stab fein.——“ Alſo ſtritten fie immer um das elterliche Vorrecht, doch meine Mutter mußte ſich ihrem Schickſale ergeben, harrend der Zukunft mit göttlich⸗ſtarker Geduld.—
Zwei Jahre vergingen, und ich kam in ein Cheder höherer Art, wo ich nebſt Ueberſetzen der Bibel auch ſchon Talmud lernen ſollte. Der Beſitzer dieſes Cheders hieß Rabbi Simon