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Der Weg meines Lebens : Erinnerungen eines ehemaligen Chassiden / von Josef R. Ehrlich ; mit einem Vorworte von Josef Weilen
Entstehung
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Chaſſidim Groß und Klein zu den fließenden Gewäſſern wallen und daſelbſt aus den Kleidertaſchen das Inwendige herauskehren, um dieBröckelchen(Brodkrümchen, Körn­chen u. ſ. w. ins Waſſer zu ſchütteln, mit ihnen gleichſam alle Sünden des verfloſſenen Jahres von ſich werfend um dieſe Zeit ſtellte mich Samuel unterwegs über meine Zu­kunft ernſtlich zu Rede und erwähnte mir, daß der Belſer Zaddik ihm prophezeiet habe, er werde in meinen Kindern große Freude erleben.Willſt du mir denn ſchon eineKalle (Braut) geben? fragte ich verwundert und er erwiderte mir die ſeltſamen Worte:Jeden Samſtag Abend gehe ich, ob­gleich der Waſſerträger täglich unſer Faß füllet, mit einem Kruge eigens zum Brunnen, um Waſſer zu ſchöpfen. Wie ich dir ſchon längſt erzählte, kommt Myrjam, die lebendig in den Himmel geflogen, an dieſem Abend auf die Erde herab, ſchöpft mit einem goldenen Krüglein an jedem Brunnen und ſegnet deſſen Quellen. Wer nun das Glück hat ſie zur be­ſtimmten Zeit dort anzutreffen, obſchon fie augenblicklich ent­weicht, deſſen Sohn findet eine treffliche Braut und deſſen Tochter hinwiederum findet einen trefflichen Bräutigam. Dies hat mir der Belſer offenbart. Bevor ich aber ſo glücklich bin die himmliſche Myrjam am Brunnen zu überraſchen, kann ich dir unmöglich eine Braut zuführen, umſomehr, da ihre Kinder mir zur beſondern Freude gereichen ſollten. Allein, daß du, mein lieber Joſchu(Joſeſ, für immer einKore bleibeſt das, muß ich dir ſagen, gefällt mir nicht, nein, das kann mir durchaus nicht gefallen. Darauf fragte ich ihn mit Neugier:Nun, was denn, Vater, meinſt du, ſollt ich werden? Und er:Du mußt etwas Ehrenhafteres und Zweckmäßigeres wählen als den dürftigen Kore⸗Beruf. Sage mir, möchteſt du nicht vor allem Andern ein, Dajen werden? (Ein Richtermitglied im Sanhedrin. Bekanntlich ſitzen im